Das Oldenburger Wunderhorn

Heidenwall-Geschichte

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Zur Geschichte des Heidenwalls
 

Der "Heidenwall" (im roten Kreis) in Ausschnitten historischer Karten des 18. bis 20. Jahrhunderts, durch die der Verfasser die genaue Position dieser frühmittelalterlichen Burganlage nachweisen konnte:
 

Gemarkung des Klosters Blankenburg 1728 mit Lage des Heidenwalls auf dem sogenannten "Überhuntischen Groden", der zur Bauerschaft Donnerschwee gehörte und den Flurnamen Wesenbrok trägt. Aus: Peter Tornow, Heinrich Wöbcken: 700 Jahre Kloster Blankenburg zu Oldenburg, S. 32, Ausschnitt mit Einträgen von Martin Teller, Mai und Juli 2007.
 

Gemarkung des Klosters Blankenburg 1729, mit Heydenwall nördlich des Poggen Deichs, der die Gemarkung der Bauerschaft Donnerschwee von der Klostermark trennte. Aus: Tornow, Wöbcken, S. 43, Ausschnitt mit Einträgen von Martin Teller, Mai und Juli 2007.
 

Gemarkung des Klosters Blankenburg 1740. Die im Original links fein gestrichelt (im Druck geschummert) dargestellte Wallböschung ist in der modernen Neuzeichnung rechts durch grobe Striche zwischen zwei Kreisausschnitten wiedergegeben. Die Strichelung deutet somit nicht die uns erst durch Ausgrabung bekannten Fächer aus Baumstämmen an, welche den Ringwall stabilisiert haben. Den an der Abtragung des Walles beteiligten Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts werden sie allerdings bekannt gewesen sein, weil die Walleinebnung deshalb große Mühe verursacht haben dürfte. Links aus: Tornow, Wöbcken, S. 34, rechts von Willi Heinemann aus: 1552 - 2002 Neuenwege, hrsg. vom Heimat- und Bürgerverein Neuenwege 2002, S. 30-31. Ausschnitte mit Einträgen von Martin Teller, Mai und Juli 2007.
 

Kirchspielkarten Oldenburg (oben) und Osternburg 1842-45 (unten), ungefährer Zusammenschnitt zweier Ausschnitte, Martin Teller, Mai und Juli 2007. Nach Abtragung der oberirdischen Wallreste ist der Wiesenflur auf dem Kartenblatt nicht mehr und in der Natur kaum noch anzumerken, dass sie unterirdisch noch immer Reste des Heidenwalls trägt.
 

Stadt Oldenburg und Umgebung 1946. Der ehemalige (veränderte) Poggendeich ist noch als dünne Linie unterhalb der Heidenwall-Parzelle zu erkennen, während entlang Hemmelsbäker Kanal/Baggerhafen noch kein flacher Sommerdeich existiert, der hier erst Mitte-Ende der 1970er Jahre aufgeschüttet wurde. Nach langjähriger Arbeit mit Flurkarten entwickelt man einen Blick für feine Parzellenveränderungen im Laufe der Jahrhunderte. Ausschnitt mit Einträgen von Martin Teller, Mai und Juli 2007.
 

Vgl. auch den Lageplan des Verfassers von Januar 2007, der den letzten Stand vor der Landschaftsveränderung durch Gewerbebebauung und archäologische Ausgrabung enthält.

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Andere bekanntere und teilweise ältere historische Karten konnten dagegen nichts zur Lagebestimmung des Heidenwalls beitragen, weil sie entweder zu ungenau sind oder entgegen landläufiger Meinung den Wall gar nicht enthalten:


Der Deichatlas des Johann Conrad Musculus von 1625/26 zeigt im Hunteabschnitt zwischen Donnerschwee/Ohmstede (oben) und Drielake (unten) die wohl älteste kartographische Überlieferung des Heidenwalls (der "Hügel" am Hunteufer). Die Darstellungen sind aber nicht sehr exakt bzw. einheitlich maßstäblich, enthalten auch keine Orientierung bietenden Parzellengrenzen und können damit für die geschichtswissenschaftliche Methode der Flurrückschreibung nur schwerlich und zur metergenauen Lokalisierung der Wallparzelle gar nicht dienen. Deshalb spielte diese Abbildung (dem Verfasser bis zum Erhalt eines Hinweises auf den farbigen Faksimiledruck des Deichatlasses nur als Schwarz-Weiß-Kopie in Munderlohs Buch über die Bauerschaft Donnerschwee auf S. 137 bekannt) bei der Wiederauffindung des Heidenwalls keine Rolle.
Aus: Der Deichatlas des Johann Conrad Musculus von 1625/26, hrsg. von Albrecht Eckhardt, Oldenburg 1985, im Bildteil ohne Seitenzahlen. Der Pfeil des Kompasses zeigt nach Süden. Für einen vergrößerten Ausschnitt des hier einmal nicht in Draufsicht sondern in Seitenansicht dargestellten Heidenwalls Bild anklicken.
 

"Wie Sie sehen, sehen Sie nichts!"

Originalkarten der Hausvogtei Oldenburg 1790-1794 (Faksimiledrucke), die den Heidenwall (Flurlage vor der roten Pfeilspitze) weder als Zeichnung noch als Namenseintrag enthalten. Oben links: Kartenblatt I von 1790/93, oben rechts: Blatt II von 1794, unten: Blatt III von 1794. Aus: Die Oldenburgische Vogteikarte 1790/1800, Faksimile-Ausgabe, hrsg. von der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Hannover 2000. Die oberen zwei Ausschnitte zeigen das Gelände nördlich der Hunte bei Donnerschwee, der untere das südlich bei Drielake. Ausschnitte I und III zeigen am südlichen Hunteufer außer Verunreinigungen nur einen kleinen Vermessungspunkt; der Wall wäre viel größer. Was nicht eingezeichnet ist, kann auch nicht als Lagebeweis dienen.

Vgl. die moderne Nachzeichnung der Vogteikarte "um 1790" von 1960, die ebenfalls keine Wallzeichnung enthält, lediglich den Namen "Heidenwall". Ihn hat der damalige Bearbeiter Dr. Hermann Lübbing als reine Mutmaßung an die ungefähre Furtstelle auf dem Gelände der späteren Brands Werft eintragen lassen, ohne den genauen Ort des Heidenwalls zu kennen, der aber östlich des auch hier enthaltenen Vermessungspunktes zwischen Südschleife der Hunte und einem alten Huntenebenarm namens Wesenfleth liegt, den der Verfasser in der Karte durch einen dünnen Strich angedeutet hat.

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Der Heidenwall in der Hunteaue

Der frühhochmittelalterliche Ringwall bei Oldenburg-Drielake ist möglicherweise schon seit dem 15. Jahrhundert unter der Bezeichnung „Heidenwall“ bekannt. Das ist nicht etwa sein historischer Burgname oder seine Zweckbestimmung („Heidenabwehr“), sondern zeugt lediglich davon, dass sein ursprünglicher Name, seine Funktion und seine Erbauer im Spätmittelalter längst in Vergessenheit geraten waren. Alle Naturformationen und Bauten, deren Existenz oder Form sich die Menschen in der Zeit vor der Aufklärung und Etablierung der Wissenschaften nicht erklären konnten, haben sie hilfsweise mystischen Riesen („Hünensteine“), heidnischen Ahnen („Heidenwall“) oder dem Teufel zugeschrieben (der der Sage nach u. a. das Zwischenahner Meer und den Wildenloh-Wald geschaffen haben soll).
Der Heidenwall lag strategisch günstig an einer Heer- und Handelsstraße, die seinerzeit die wichtigste Nord-Süd-Verbindung innerhalb der Region des späteren Oldenburger Landes darstellte (quasi eine frühmittelalterliche „Autobahn“). Sie führte vom sächsischen Geestort Wildeshausen auf einem trockenen Geeststreifen östlich am Hunteufer entlang, querte die Hunteniederung flussabwärts hinter der heutigen Oldenburger Innenstadt gewiss durch eine Furt, und führte anschließend wieder über Geestgebiet weiter nach Norden zum friesischen Hafenort Jever, wo Anschluss an den Seehandelsverkehr bestand. Es ist davon auszugehen, dass der Heidenwall zur Sicherung der Furt erbaut wurde und eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Heerstraße bzw. des Flussverkehrs spielte.
Als Erbauungszeit wurde bisher das 8. oder 9. Jahrhundert angenommen – stürmische Zeiten, die Gründe genug für die Anlage einer gut befestigten Burg geliefert hätten (vgl. Zeittafel des Frühmittelalters): Vom 7. bis 9. Jahrhundert expandierten die von Westen kommenden Friesen nördlich entlang des sächsischen Stammesgebietes in Richtung untere Weser und mögen dabei auch das Gebiet der unteren Hunte in ihren Einflussbereich gezogen haben. Die über 30 Jahre dauernden Sachsenkriege Karls des Großen waren mit der Unterwerfung Widukinds im Jahre 804 beendet, und die Frankenherrscher suchten ihre Position in Sachsen zu sichern und die Christianisierung durchzusetzen. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts drangen Wikinger in die Flüsse im Elb- und Wesermündungsbereich ein und überfielen auch mehrere Siedlungen an der oberen Hunte, darunter Westerburg bei Wardenburg. Erst nach Etablierung der sächsischen Königsdynastie der Liudolfinger (Krönung Heinrichs I. 919, Sieg gegen die Ungarn bei Riade 933) wurden die Zeiten allmählich wieder ruhiger, auch wenn Kämpfe einzelner Adeliger untereinander nicht ausgeschlossen werden können. Nach Datierung anhand der ausgegrabenen Wallholzreste (1032, 1042) wird der Heidenwall aber erst bis 1050 (Merkdatum) errichtet worden sein, als die Adelsfamilie der Billunger das Herzogtum Sachsen beherrschte (vgl. Zeittafel des Hochmittelalters). Damit dürfte der Heidenwall weniger zur Abwehr einer akuten äußeren Bedrohung als vielmehr zur Herrschaftssicherung nach innen gedient haben, wenn man ihn nicht doch mit letzten Wikingereinfällen östlich der Weser um 1040 in Verbindung bringen mag. Außer als befestigter Stützpunkt kann er auch eine Fluchtburg der direkt benachbarten Bevölkerung gewesen sein, für eine regelrechte Volksburg war er mit seinen ca. 900 qm Innenfläche aber zu klein, sofern nicht östlich von ihm auf einer natürlichen(?) Geländeerhöhung noch eine Vorburg bestand.
Mit seiner Lage neben einer wichtigen Handelsstraße könnte er auch eine gewisse Rolle als Zollstation innegehabt haben, wenngleich dies nicht der Hauptgrund für seine Erbauung gewesen sein muss. Ebensowenig ist er als ständiger Adelssitz zu denken, da Adelige bis ins 11.-12. Jahrhundert hinein noch auf herrschaftlichen Bauernhöfen lebten und erst danach größere Burganlagen errichten ließen, die besseren Schutz boten und zugleich als standesgemäße repräsentative Wohnsitze in Mode kamen. Insofern ist nicht anzunehmen, der Heidenwall sei schon kontinuierlich besiedelt gewesen, aber ohne eine ständige kleine militärische Besatzung zumindest in Krisenzeiten hätte er seine Sicherungsfunktion nicht erfüllen können.
Wenn man sich näher an die historische Siedlungslage „heranzoomt“, stellte sich der runde oder leicht ovale Ringwall als eine im Außendurchmesser etwa 50 m breite kompakte Konstruktion mit massiven Holz-Erde-Mauern dar, die wie bei anderen derartigen Wallanlagen sicherlich 3-4 m hoch und oben mit Palisadenzaun und Wehrgang besetzt waren. Im Südwesten bestand ein Tor mit Brücke, die über den natürlichen teilweise bis zu 20 m breiten Flussarm Broksfleth/Wesenfleth gewiß in Richtung Furt führte. Die Hunte war auch hier im Früh- und Hochmittelalter offensichtlich noch in mehrere Arme aufgeteilt. Der Wall wird auf einer vermoorten Flussinsel gelegen haben, deren Umrandung sich weitgehend mit überkommenen Flurgrenzen (Hunte-Altarm Baggerhafen, Wiesengraben) zu decken scheint. Darin zeigt sich eine Parallelität zur Oldenburger Grafenburg, dem heutigem Schloss, die ebenfalls auf einer morastigen Insel in einer schützenden Flussaue erbaut wurde.
Die Lage der Huntefurt in der Nähe des Heidenwalls ist nach Ausbaggerungen der Hunte nicht mehr eindeutig festzustellen. Der kürzesten Verbindung an der engsten Stelle zwischen den Geesthöhen von Drielake im Süden und Donnerschwee im Norden folgend wird sie sich westlich des Ringwalls befunden haben und über das spätere ehemalige Werftgelände im Westen des Hemmelsbäker Kanals geführt haben. Dies gilt dann auch für die eventuell als Bohlendamm befestigte Straße durch die Niederung, die wie die Furt bislang weder auf Karten noch im Boden direkt nachweisbar ist. Vor etwa 1000 Jahren, als die von Huntearmen umflossene Ringwallburg erbaut wurde, bestand die umliegende Flusslandschaft größtenteils noch aus urtümlichem Bruchwald. Wenigstens der unmittelbare Wallbereich musste aber frei von Baumbewuchs gehalten werden, um die Sicht auf die nahe Heerstraße zu erhalten, die nicht nur ferne Handelszentren sondern auch lokal den nördlich der Hunte liegenden Ammergau mit dem Largau südlich davon verband – die als ungefähre heutige Landkreise Ammerland und Oldenburg den Kern des Oldenburger Landes ausmachen.
Der Heidenwall ist deutlich älter als Burg (12. Jh.), Stadt (1345) und Land Oldenburg (Bildung zwischen 11.-14. Jh.) und „wurzelt“ in der weitgehend unbekannten Frühgeschichte unserer Region. Ein direkter Zusammenhang mit den ältesten bäuerlichen Siedlungsspuren des 7.-8. Jahrhunderts im Oldenburger Innenstadtkern um den Marktplatz ist nicht nachweisbar. Dagegen ist eine wie auch immer geartete Verbindung mit der nördlich benachbarten alten Eschsiedlung Donnerschwee zumindest nicht unwahrscheinlich.
Wer die kleine Wallburg erbaut hat, kann wohl kaum noch geklärt werden. Denkbar wäre eine in der Umgebung wohnende Sippe unter lokal oder vermutlich sogar regional mächtigen Adeligen. Ob dies schon die Vorfahren der späteren Oldenburger Grafen waren, die mit ihrer Burg dann nur von der Hunteaue in die Haarenaue „umgezogen“ wären, ist eher fraglich, da diese anscheinend aus dem Osnabrücker Nordland stammten und der Schwerpunkt ihres Streubesitzes zu Beginn des Hochmittelalters weiter südlich im Lerigau und Hasegau lag. Zu denken wäre eher an einen Stützpunkt hier bereits etablierter Mächtiger wie die Billungerherzöge, die Bremer Erzbischöfe, die Grafen von Stade (Udonen), von denen die in Rüstringen und möglicherweise auch im Ammerland herrschenden Hunonen mit Graf Huno und Sohn Friedrich (in irgendeiner Weise mit dem ersten bekannten Oldenburger Grafen Egilmar I. verwandt) wohl ihre Vizengrafenrechte herleiteten.
Seine Bedeutung verlor der Heidenwall mit Anlage der gräflichen Oldenburg bis Mitte des 12. Jahrhunderts, die fortan die Sicherungsfunktion an der Hunte übernahm und den Fernverkehr an sich zog, der nun bequemer über Brücken anstatt durch eine Furt führte. Deshalb wird der Ringwall spätestens dann aufgegeben worden sein, was sicher nicht wegen häufigerer Überflutungen geschah, da die binnenländisch gelegene waldbestandene Hunteaue einigen Schutz davor bot und der Meeresspiegel im Hochmittelalter gegenüber frühmittelalterlichen Verhältnissen wieder zurückging. Der nördliche Ringteil wurde erst in der frühen Neuzeit von der Hunte erodiert. Dank seiner massiven Bauweise verfiel der Wall aber nicht völlig und blieb eine wichtige Grenzmarke zwischen der Bauerschaft Donnerschwee und den Ländereien des Klosters Blankenburg. Erst nachdem seine oberirdischen Teile im 18. Jahrhundert bei Uferbefestigungsarbeiten abgetragen wurden, geriet sein historischer Ort allmählich in Vergessenheit. Das Wissen um seine Existenz war jedoch in der wissenschaftlichen Heimatforschung nie ganz untergegangen.
Der Verfasser informierte Stadtverwaltung, Archäologie und Öffentlichkeit über die genaue Flurlage des Heidenwalls, als im Zuge einer benachbarten Gewerbeansiedlung die Gefahr bestand, dass die Wiesenparzelle ohne nähere Untersuchung abgegraben und überspült würde. Dies führte schließlich von Mai bis Juli 2007 zu einer archäologischen Ausgrabung, welche die noch im bloßen Überrest eindrucksvolle Holz-Erde-Konstruktion des Heidenwalls wieder ans Oldenburger Tageslicht brachte.

Martin Teller, 2.7.-4.10.2007
 

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Fata Morgana aus der Vergangenheit: Wäre der Heidenwall nicht im 18. Jahrhundert abgetragen und seine Uferlinie im heutigen Huntealtarm nicht erodiert und begradigt worden, hätte das Gelände bis zur Einbeziehung ins Osthafengebiet ungefähr so ausgesehen wie auf dieser Fotomontage, die den Wallring (rund oder leicht oval) ohne das mittlerweile verlandete Wesenfleth zeigt, das südlich noch durch den baumbestandenen Wiesengraben angedeutet wird und von dem ein Querarm beim rechten Baum in den noch offenen Huntearm umbog. (Google-Luftbildausschnitt mit Stand von 2005, bearbeitet Juni 2007 vom Verfasser.) Die sichtbare Bodendelle entspricht nicht der einst höchsten Wallkuppe, sondern zeigt nur den durch Vermoorung höher anstehenden Wallfuß. Im Bereich des nördlichen Wallbogens, der durch Ufervorland vielleicht noch etwas größer war, wäre kein Flussdeich nötig gewesen.

 


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