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der Frühneuzeit und Neuzeit. Aus dem Oldenburger Mittelalter sind keine gesicherten lebensgetreuen Abbildungen überliefert, nur typenhaft-schematische Idealbilder zum Beispiel in Siegeldrucken. Bei plastischen Darstellungen vor allem auf Grabplatten oder bei Wandgemälden etwa in Kirchen kann schon im Spätmittelalter versucht worden sein, die individuellen Züge abgebildeter Herrscher wiederzugeben. Wieweit das bei den Grablegen der Oldenburger Grafen geschah, bleibt unbekannt, weil diese in den Klöstern des Landes zerstört oder wie in der St. Lambertikirche zu Oldenburg durch Umbau Ende des 18. Jahrhunderts verdeckt wurden. Dagegen zeigen dort die um 1573 entstandenen und 1938 wiederentdeckten Grabplatten von Graf Anton I. und seiner Gemahlin Sophia gewiß die persönlichen Züge dieses Herrscherpaares, wie es Abbildungen seit der frühen Neuzeit generell tun (vgl. unten die Grabplattendarstellungen mit den wahrscheinlich zeitgenössischen Zeichnungen im Buchdruck). Das spätmittelalterliche Wandbild von Graf Gerd im Chor der Schloßkirche zu Varel, das heute noch schemenhaft zu erkennen ist, muß nicht nur den Idealtypus eines frommen christlichen Herrschers darstellen, sondern kann schon in etwa dem gräflichen Aussehen entsprochen haben. Ob dergleichen auch bei dem hochmittelalterlichen Wandbild der Wildeshausener Kirche möglich wäre, das Grafen aus der Linie Oldenburg-Wildeshausen bei der Falkenjagd verewigt haben könnte, ist eher unwahrscheinlich, zumal hier kein Wappen vorhanden ist, das eine sichere Identifizierung als Oldenburger Grafen überhaupt zuließe. (Siehe Porträtersatz-Abbildungen.) Wiederum von unterschiedlicher Originaltreue sind die zahlreichen Porträts "Oldenburger" Herrscher, die in der nachträglich überarbeiteten (verfälschten) Fassung der Oldenburger Grafengeschichte von Hermann Hamelmann abgedruckt sind, die 1599 erstmals herausgegeben wurde. (Oldenburgisch Chronicon. Neue Ausgabe mit einem Nachwort von Wilhelm Gilly de Montaut, Oldenburg 1983.) Man war sichtlich bemüht, den Lesern möglichst zu jedem wahren oder sagenhaft dazugedichteten Mitglied des Grafenhauses ein Porträt präsentieren zu können und scheute sich darum nicht, wenn keine echten überliefert waren, kurzerhand welche von begabten Künstlern erfinden zu lassen. Die älteren Abbildungen dieser ersten Oldenburger Porträtsammlung überhaupt sind durchweg und die zugehörigen Texte sind weitgehend Produkte historisch-dynastischer Fantasie. Erst ab der Zeit des Auftraggebers, Graf Johanns VII., lassen sich lebensgetreue Porträts annehmen, was vielleicht noch für die Generation seines Vaters und seiner Onkel gelten mag. Ob man sich noch einigermaßen genau an das Aussehen seines Großvaters Johann V. und dessen Ehefrau erinnerte, ist fraglich, kann aber auch nicht ganz ausgeschlossen werden; besonders falls damals im Grafenhause doch schon eine wie auch immer geartete Abbildung existiert haben sollte, immerhin wurde dessen Vater Gerd schon in der Vareler Kirche abgebildet. Daher ist das "Hamelmannsche" Porträt von Graf Johann V. mit deutlichem Fragezeichen versehen in die nachfolgende Herrschergalerie aufgenommen worden, das noch hypothetischere Bild seiner Frau (Männer galten i. d. R. als wichtiger) wurde aber fortgelassen, wie generell auf die Wiedergabe der noch älteren völlig fantasiehaften Darstellungen ganz verzichtet wurde. Es möge kein Leser jenes Buches irrtümlich die angeblichen noch früheren Grafenporträts – beispielsweise von "Christian I. und seiner Frau Kunigunde", den Stammeltern der engeren Oldenburger Grafenlinie – für originalgetreu halten. (Siehe Galerien der oldenburgischen und dänischen Landesherren.) Auch die dortige Numerierung der Herrscher gleichen Namens stimmt nicht mit der heutigen wissenschaftlichen überein, weil der damalige Autor und seine Bearbeiter sagenhafte Gestalten mit einbezogen hatten. Zur genealogischen und zeitlichen Einordnung der Abgebildeten vergleiche die Stammtafel. Nicht regierungsfähige (geisteskranke) Herrscher, die unter Vormundschaft standen, sind unten mit # gekennzeichnet. Zur besseren Vergleichbarkeit der individuellen Gesichtszüge und weil ohnehin meistens nur unbunte Formate vorlagen, sind die Herrscher-Abbildungen einheitlich schwarz-weiß gehalten. Einzige Ausnahme ist das Falkenjagdmotiv, von dem nur vermutet werden kann, daß es neben ständisch-repräsentativem vielleicht auch Porträtersatzcharakter haben sollte. Zurück zur
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Falkenjagd-Fresko in der Sakristei (Überrest der alten Stiftsgebäude) der Alexanderkirche zu Wildeshausen, 1954 bei Restaurierungsarbeiten unter einer Schicht frühneuzeitlicher Wandmalereien wiederentdeckt. Es stammt aus der Zeit des letzten Grafen aus dem Hause Oldenburg-Wildeshausen-Bruchhausen, Heinrich IV. der Bogener, der 1270 gestorben ist. Die Jagd auf Hirsche und mit Falken galten als die beiden edelsten Jagdarten, die Königen oder dem Hochadel vorbehalten waren. Insofern passte die Falkenjagd in die Lebenswelt und zum Selbstbild dieses ritterlichen Edelherren, ihre Darstellung in einem Raum der wichtigsten Kirche seines Einflußbereiches darf als standesgemäße Repräsentation verstanden werden. Auch wenn im Hochmittelalter porträthafte Malerei oder Bildhauerei im Sinne lebensechter Abbildung noch nicht üblich waren, stattdessen vielmehr das typenhafte der dargestellten Personen zum Ausdruck kommen sollte, wurden dennoch vielfach Individuen dargestellt, die dann eben durch einen Namenszug oder ein Wappen kenntlich gemacht wurden (vgl. unten Graf Gerd). Solches fehlt hier bzw. ist nicht mehr erhalten, doch es ist zweifelhaft, ob es sich bei den heraldischen Standardkronen, die alle drei Reiter tragen, um diese Zeit schon um Grafenkronen handelt, was wiederum auf Mitglieder des Oldenburger Grafenhauses hindeuten würde, oder ob nicht eher tatsächlich Könige gemeint waren, von denen das Oldenburger Haus um diese Zeit noch keine hervorgebracht hatte. Natürlich gehörte derartiger "Sonntagsstaat" nicht zur üblichen Jagdausrüstung sondern diente in solchen Zusammenhängen der Bildkunst lediglich zur Kennzeichnung von Standespersonen. Falls hier wirklich Oldenburger Grafen abgebildet sein sollten, wäre das Wandbild als idealisierte Selbstdarstellung zu verstehen, wenn es sich um Monarchen handelte, lautete die ansehenssteigernde Bildaussage der gräflichen Auftraggeber: "Wir verkehren mit Königen (und teilen deren vornehme Jagdleidenschaft)". In jedem Fall war es ein deutlicher Ausdruck von Standesbewußtsein Oldenburger Grafen; gewiß auch ihrer Lebensfreude, wenn sie (wer hätte es sonst tun dürfen?) ein derart weltliches Thema an die Wand einer geistlichen Institution malen ließen.
Links das Siegel des
Osnabrücker Bischofs (1193-1216) und Bremer Erzbischofs (seit 1210) Gerhard, geborener Graf
aus dem Hause
Oldenburg-Wildeshausen (geb. vor 1167, gest. 1219) in typischer
Bischofs-Pose. Die beiden erhobenen Finger der rechten Hand bedeuten in
der Symbolik mittelalterlicher Bildkunst: "Er spricht", d.h. er gibt
buchstäblich den Ton an (während eine flache offene Hand Zuhörerschaft
oder Untergebenenstatus signalisierte). Auch mittelalterliche Siegelabbildungen zeigen keine echten Porträts, selbst wenn sie Personen darstellen, sondern bedienten sich bestimmter Formalelemente, die für die jeweiligen Urkundenaussteller (geistliche und weltliche Adelige, Städte, Rechtsinstitutionen) als typisch galten, um die Glaubwürdigkeit ihrer besiegelten Schriftstücke zu erhöhen. Abgesehen vom fehlenden wahrheitsgetreuen Porträtierungsaspekt waren die Siegel dennoch sehr individuelle Instrumente, die für jeden Aussteller persönlich gestaltet wurden, ersetzten sie doch die damals noch nicht übliche eigenhändige Unterschrift. Um Fälschungen zu unterbinden, wurden die Siegel nach dem Tode der Siegelführer unbrauchbar gemacht. Das rechte Originalsiegel (oder ein ähnliches) hat man m. W. in jüngerer Vergangenheit im Delmenhorster Burggraben gefunden. Es wird dort absichtlich versenkt worden sein. Figuren, die dem eigenen Aussehen nicht genau glichen, allenfalls ähnlich waren, ihm aber vom Sozialtypus entsprachen und mit Namens- oder Wappenzusatz eindeutig gekennzeichnet wurden, mußten in der Vergangenheit und können auch noch heute mangels individuellerer Darstellungen ersatzweise als "Porträts" von historischen Personen dienen, wenn man nur nicht vergißt, daß diese in Wahrheit stets (zumindest etwas) anders ausgesehen haben. Im späten Mittelalter werden die Darstellungen tendenziell immer individueller.
Ein wohl schon recht ähnliches Bildnis von Graf Gerd dem Mutigen aus der Stammlinie Oldenburg (Lebensdaten 1430/31-1500) im Deckenbereich des Chors der Schloßkirche zu Varel. Links das noch vorhandene Original, rechts die Nachzeichnung von Wilhelm Morisse aus dem Jahr 1906. (Man beachte den jüngeren Helmtyp mit eindeutiger Grafenkrone!) Die betende Stellung bringt die demütige Gesinnung des christlichen Ritters zum Ausdruck, dessen Ideale sich auch die Herren des Hochadels zu eigen machten. Entsprechend läßt Gerd sein Abbild bitten: "O Herr, was me gnaedig", behüte mich gnädig! - Göttlichen Beistand hatte der Raubritter von Geblüt auch nötig, weil seine kriegerischen Taten die Zahl seiner Feinde ständig erhöhte und die Grafschaft Oldenburg in große Nöte brachte. Da konnte es nicht schaden, wenn ein zweidimensionales alter ego permanent betend die himmlischen Mächte um Beistand anrief, hatte dadurch doch die reale Person die Schwerthand frei.
Grabplatten von Graf Anton I. von Oldenburg und seiner Gemahlin Sophie in der Lambertikirche, um 1573 angefertigt, 1938 wiederentdeckt und in der Nebenkapelle im "Choranbau" aufgestellt. Vergleiche die Köpfe (siehe Vergrößerung) mit den nachfolgenden Buchzeichnungen, die nun lebensgetreue Ansichten der einzelnen Personen zeigen sollten, wie es die späteren Ölgemälde und Fotos tun. Zurück zur
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(* Hinten Sophie Charlotte 1879-1964, unten Ingeborg Alix 1901-1996, rechts Altburg 1903-2001, wohl 1913.) Zurück zur
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Dänische Könige, die in
Personalunion Grafen von Oldenburg waren
Abbildungsnachweise Falkenjagdszene
aus: Evangelisch-lutherische Alexanderkirche Wildeshausen, Schnell,
Kunstführer Nr. 1769, München und Zürich, erste Auflage 1989, S. 14. Gewidmet meinem Kunstlehrer, dem Kunsthistoriker Dr. Gilly, Direktor des Oldenburger Stadtmuseums a. D. ("Geschichte wollen Sie studieren? Das ist etwas Anständiges!") Martin Teller, 7.8.2006, 18.10.2006 |
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