Datierung |
Wiedergabe der
[erläuterten oder korrigierten] Originalaufzeichnungen
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Gliederung |
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Abb.
1. Die Mappe mit den handschriftlichen Kriegserinnerungen
von Gustav Ostendorf. Hier der Anfang seiner Aufzeichnungen.
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[Alle Aufzeichnungen zusammen in einem dunkelblauen
Pappumschlag: ein einfacher offener Doppelbogen, beschriftet in
schwarzer Tinte mit:]
Verschiedenes
für
Heinrich Ostendorf
[sein ca. 5 Jahre jüngerer Bruder]
Brake i.O.
[in Oldenburg]
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Kriegs-Vorgeschichte |
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[Manuskriptseite] – 1 –
Meine Erlebnisse im Weltkriege
1914-1918.
Zu
allen Zeiten und in allen Erdteilen gab es Kriege und wird es in
Zukunft geben. Jedoch einen Krieg, wie der [den] Weltkrieg
1914-1918, sah die Welt noch nicht. Was unser deutsches
Vaterland dabei gegen eine Welt von Feinden leistete, hat selbst
bei unseren Gegnern Bewunderung erweckt. Ich habe mir nun
vorgenommen und will versuchen, in großen Zügen meine Erlebnisse
während der Kriegszeit nieder zu schreiben. |
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Abb. 2. Gustav
Ostendorf in Husarenuniform (wohl 1912-14, um 20 Jahre alt). |
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2.10.1912 |
Ich
trat am 2. Okt. 1912 beim Husaren-Regiment Königin-Wilhelmina
der Niederlande (hannoversches) No 15 in
Wandsbeck als dreijährig-Freiwilliger ein.
[Wandsbek, preußischer Stadtkreis,
seit 1937 östlicher Stadtteil von Hamburg.] Meine
Garnisondienstzeit verlief[,] den gegebenen Verhältnissen
entsprechend, gut. [Sie dauerte 22 Monate bis zum
Kriegsausbruch.] |
seine Kavallerie-Einheit
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Briefmarke: Germania 5 Pfennig,
gestempelt in Wandsbek (Hamburg), 12.8.19[13?]
An
Herrn Weichenwärter
Johann Ostendorf
[Gustavs Vater]
Rosenburg b. Brake
Großhzt. Oldenburg
Liebe Eltern und Bruder
Heute ergreife ich mal wieder
die Feder, habe gerade Zeit dazu, bin wieder auf
Kasernenwache. War diese letzte Woche auf Remontekommando,
erst nach Harburg, wo Remontemarkt war, von da ging es über
Stendal, Ratenow nach dem Remontedepot Hunsrück ist nahe bei
Berlin. Die Reise dauerte 7 Tage machte Spaß und habe die
schöne Gegend mal gesehen. Sonst ist noch alles beim Alten.
Mit bestem Gruß Euer Gustav.
[Remontierung: Ergänzung des
militärischen Pferdebestandes durch Jungpferde.]
Abb. 3a und b.
Fotopostkarte Ostendorfs aus Wandsbek an die Eltern.
Auf der Bildvorderseite rechts einige seiner
Schwadrons-Kameraden? |
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1.8.1914
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Vom
1.-2. August 1914 hatte ich Kasernenwache. Diese Wache war im
Verhältnis früher gestandener Wachen auffallend unruhig. Ein
Wunder war es natürlich nicht, denn seit dem Königsmorde in
Serajewo [28.6.1914], war
die europäische Lage sehr gespannt, das[s] die Möglichkeit eines
Krieges gegeben war.
[6.7. Berlin
sicherte Wien die volle Unterstützung zu (Blankoscheck).
23.7.
Österreichisches Ultimatum an Serbien.
25.7. Serbien
machte Vorbehalte und ordnete Teilmobilmachung an.
26.7.
Deutschland drohte mit Mobilmachung, falls russische Reserven
eingezogen werden.
28.7.
Österreich-Ungarn erklärte Serbien den Krieg. Teilmobilmachung
Russlands.
30.7. Russische
und österreich-ungarische Gesamtmobilmachung.] |
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Tatsächlich erfolgte bereits am Nachmittage des 1. August die
allgemeine Mobilmachung gegen Frankreich und Rußland.
[16:55 Uhr (MEZ)
französische Mobilmachung,
17:00 Uhr deutsche
Mobilmachung,
19:00 Uhr deutsche
Kriegserklärung an Russland,
Mobilmachung der
britischen Flotte.]
Also ein sogenannter Zweifrontenkrieg. Sofort nach
Bekanntmachung des Mobilmachung-Befehls wurde unsere Wache mit
scharfer Munition versehen, um etwaigen Widerwärtigkeiten
begegnen zu können. Das Drängen des Publikums ging denn auch
bald los, teils wollten sie [die Leute] Angehörige besuchen,
teils war es Neugierde.
– 2 –
Wir
hatten aber Befehl[,] niemand in die Kaserne hineinzulassen. |
Kriegsbeginn/
Mobilmachung |
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Abb. 4. Die
Kavalleriekaserne in Wandsbek (wohl vor Kriegsausbruch). |
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2.8. |
Am
Mittag des 2. August wurden wir von der 1. Schwadron, die als
Ersatzkadron zurück blieb, abgelöst. Nachdem ich zum letzten
Male mein Essen verzehrt hatte, das heißt in der Kaserne, ging
ich zur Kammer rauf, um meine Kriegsausrüstung in Empfang zu
nehmen. Meine Kameraden waren fast alle schon fertig. |
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17
Uhr |
Da
um 5 Uhr nachmittags die Schwadron feldmarschmäßig antreten
sollte, so mußte ich mich beeilen, um fertig zu werden. Es
klappte auch tadellos. |
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18
Uhr |
Um
6 Uhr war Feldgottesdienst auf dem Reitplatz angesetzt, dort
angekommen, fanden wir denselben bereits voll von der
Einwohnerschaft besetzt. Manche Träne der Frauen rollte in den
Sand, ja es war die Lage auch ernst genug. Hierauf übergab ich
meine Privatsachen einem in der Nähe der Kaserne wohnenden
Schuhmacher, der sie mir bereitwilligst in die Heimat sandte.
Dann wurde unser Stammlokal aufgesucht um noch einmal kräftig
für das leibliche Wohl zu sorgen. Man konnte ja nicht wissen,
wann und wo es in dieser aufgeregten Zeit wieder etwas zum
beißen gab. |
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19 Uhr |
Jetzt ertönte das Signal zum Satteln, in knapp einer halben
Stunde war auch dies geschehen[,] und um 7 Uhr rückte die [seine
5.] Schwadron als die letzte zum Tor hinaus. Die Musik spielte
während des Marsches zum Bahnhof „Muß ich denn zum Städtelein
hinaus“, und „In der Heimat da gibs ein Wiedersehn“ [sic]. |
Auszug aus der Kaserne |
20
Uhr |
Eine nicht endenwollende, jubelnde
Einwohnerschaft begleitete uns zum Bahnhof und beschenkte uns
reich an Rauchwaren, Süßigkeiten und Blumen, bis der Zug um 10
Uhr abends mit Musik den Bahnhof verließ. Zwar gab es auch viele
tränende Augen derjenigen Angehörigen, die ein Glied der Familie
hinaus ziehen sahen, und nicht wissen, ob sie [die soldatischen
Verwandten] dereinst
– 3 –
wiederkehren. |
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Datierung |
Wiedergabe der
[erläuterten oder korrigierten] Originalaufzeichnungen
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Gliederung |
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Abb. 5. Die
Westfront mit ungefährem Bewegungsprofil von Gustav
Ostendorf, eingetragen in einen zeitgenössischen
Geschichtsatlas (zum Vergrößern anklicken). |
I. Westfront
1. Feldzug |
3.8.
21
Uhr |
[Deutsche
Kriegserklärung an Frankreich.]
Die
Fahrt ging über Hamburg, Bremen, Osnabrück
nach Aachen [an der deutschen
Westgrenze], hier am nachmittag des 3. August angekommen,
sahen wir den ersten feindlichen Flieger, der von unserer
Artillerie aus Aachen schwer beschossen wurde. Um 9 Uhr
abends wurden wir ausgeladen, ritten dann hart an die belgisch,
holländische Grenze, um hier in ein paar großen Bauernhäuser[n]
einquartiert zu werden. |
a) Deutschland,
Rheinland
per
Zug zur Westfront/Aachen |
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An
Schlaf war aber keineswegs zu denken, da es in der Gegend voller
Spione wimmelte, so mußte alles auf Posten stehn. Lange sollte
es aber auch nicht dauern, da pfiffen schon die ersten blauen
Bohnen durch die nächtliche Stille. Es sauste plötzlich ein
grell beleuchtetes Auto auf der Landstraße dahin, in Richtung
belgischer Grenze. Da dieses auf Anruf [und Zeichen?] nicht
hielt, wurde geschossen, aber leider entkam es. Durch diese
Schießerei war aber die ganze Postenkette in Aufruhr geraten,
jeder, der in der Dunkelheit nach vorne ein Geräusch vernahm,
schoß darauf los. |
nervöse Nachtruhe |
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Die
Folge war, daß man bei Tageseinbruch eine ganze Herde Rinder und
Schafe angeschossen vorfand. Ein Wunder war es nur, daß von uns
niemand angeschossen wurde, was später öfter vorkam. |
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4.8.
7
Uhr |
Am
Morgen des 4. August um 7 Uhr wurde dann unser Regiment abseits
der großen Straße Aachen – Lüttich aufgestellt. Bald
darauf gesellte sich das Husaren[-]Regiment 16 zu uns, das mit
uns die 17. Kav.[-]Brigade bildete. Immer mehr Truppen kamen von
allen Seiten heran geritten. Es waren die beiden
Dragoner[-]Regimenter 17 und 18, das Ulanen[-]Regiment 9, das
Kürassier[-]Regiment 2, die reitende Artillerie[-]Abteilung 3,
die Garde-Maschinengewehrabteilung 2, die Pionierabteilung 2,
das
– 4 –
Jägerbataillon 7 mit Radfahrer[-]Kompagnie und eine schwere und
leichte Funkerstation. Diese erwähnten Truppenteile bildeten
zusammen die 4. Kavallerie[-]Division, sie stand unter dem
Befehl des Generalleutnants von Garnier.
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Truppenkonzentration bei Aachen |
10
Uhr |
Gegen 10 Uhr vormittags stand die Division marschbereit, nachdem
der Kommandeur eine kurze Ansprache gehalten hatte, setzten sich
die Truppen in Marsch. Etwa eine Stunde wurde auf der großen
Straße marschiert, dann ging es hart an der holländischen Grenze
entlang durch schmale Waldwege über einen ziemlich hohen
Bergrücken hinweg. An der gesamten Grenze entlang waren starke
holländische Grenzposten aufgezogen, trotzdem konnte man in bald
darauffolgenden Kämpfen [noch zwischen den Postenketten
hindurch? (etwa auf neutraler holländischer Seite?)] hin- und
herlaufen. |
Vormarsch an der niederländischen Grenze |
|
Nachdem wir das auf der Höhe gelegene Dorf passiert hatten,
kamen wir wieder auf der großen Straße Aachen – Lüttich
an. Diese führte hier in Schlangenform in ein Tal hinunter, dort
merkten wir plötzlich, daß wir bereits in Belgien waren. Wir
kamen dann durch mehrere Dörfer, die alle einen sonderbaren
Eindruck machten, kein menschliches noch tierisches Wesen ließ
sich blicken, alle Türen und Fensterläden waren verschlossen. Da
wir uns zu dieser Zeit mit Belgien noch nicht im Kriegszustande
befanden, so war es zweifelhaft, ob die Bewohner sich aus Angst
oder Rache [geplantem Hinterhalt] versteckt hielten. Gar zu bald
sollte uns aber klar werden, daß alles aus letzterem Grunde
geschah, denn vor dem nächsten Dorf waren in einer Länge von 300
m, sämtliche Schausseebäume abgesägt und quer über die Straße
gefällt. Für uns sollte daß aber kein großes Hindernis sein, es
wurde seitwärts über die Felder geritten. |
b) Belgien
Einmarsch in Belgien |
15
Uhr |
Am
nachmittag gegen 3 Uhr erreichten wir das Dorf Visee an
der Maas, dort bot sich uns ein weit größeres Hindernis, die
große Maasbrücke war gesprengt.
– 5 –
Also nun doch der Krieg mit Belgien.
[Britische
Kriegserklärung an Deutschland aufgrund des deutschen
Einmarsches in Belgien.] |
|
|
Nachdem unsere sämtlichen Brückenwagen herangeholt waren,
begannen die Pioniere mit unserer Hilfe beim Brückenbau.
|
Brückenbau an der Maas |
|
Aber lange sollte das nicht gut gehen, denn der Feind beschoß
uns mit schweren Festungsgeschützen aus Lüttich. Schon
wurden die ersten Toten und Verwundeten zurückgebracht, die vom
holländischen Roten Kreuz nach Holland transpiertiert
[transportiert] wurden. Inzwischen waren auf dem feindlichen
Ufer auf einer Anhöhe auch Truppen in Stellung gegangen, die
ebenfalls sofort ein schweres Feuer unterhielten. Mittlerweile
begann aber auch unsere Artillerie heftig zu schießen, und bald
gingen [drüben] Häuser und viele Strohhaufen in Flammen auf. Die
folgende Nacht war taghell erleuchtet. |
belgischer Beschuss, erste Tote und Verletzte |
21
Uhr |
Etwa gegen 9 Uhr abends erhielten wir plötzlich von hinten ein
mörderisches Gewehrfeuer, ganz erstaunt, was daß noch sein
mochte, kam der Befehl, in Schützenlinie dahin Front zu machen.
Bald konnten wir feststellen, daß es die Zivilbevölkerung war,
durch deren Dörfer wir am Tage hindurch gekommen waren. Alle
waren sie mit belgischen Militärgewehren ausgerüstet, es gab
aber auch [unsererseits] kein Pardon, denn jeder mit der Waffe
in der Hand Betroffene wurde erschossen. Leider mußte auch
mancher Kamerad dabei sein Leben einbüßen. |
belgische Bevölkerung greift von hinten an |
5.-7.8. |
Da
wegen dem Festungsfeuer die zu bauende Brücke nicht fertig
wurde, denn zweimal wurde sie [getroffen und] wieder vernichtet,
deshalb blieben wir am 5., 6. u. 7. August dort liegen. Da uns
die Bevölkerung in den folgenden Nächten immer noch nicht zur
Ruhe kommen ließ, so wurden die ganzen Dörfer niedergebrannt.
[6.8.
Österreich-ungarische Kriegserklärung an Russland.]
Am
Nachmittag des 7. August setzte strömender Gewitterregen ein,
der bis in die Frühe des 8. August anhielt. |
Brückenbau verzögert |
8.8. |
Da
in dieser Nacht das Schicksal der starken Festung
– 6 –
Lüttich besiegelt
war, so setzten wir frühmorgens völlig durchnäßt über die Maas.
Schnell hatten uns diese wenigen Tage fühlen lassen, was Krieg
bedeutet, die Stimmung war zwar nicht ängstlicher, aber desto
ernster und fester geworden, fehlte doch auch schon mancher
braver Kamerad aus unserer Mitte. Drüben wurde eine zweistündige
Biwakpause dazu benutzt, unsere durchnäßte Uniform zu trocknen,
die Sonne brannte schon wieder wie vordem[,] und so blieb es den
ganzen Monat August hindurch. |
Festung Lüttich fällt, Maasdurchquerung |
10
Uhr |
Nachdem Pferd und Reiter nun gestärkt waren, wurde um 10 Uhr
aufgesessen und in flottem Tempo ging es vorwärts in allgemeiner
Richtung auf Paris. Hierbei wurden die Festungen Namur
[belg.], Maubeuge
[frz. Grenzfestung], Reims
usw. abseits liegen gelassen, diese zu bezwingen, war Aufgabe
der nachrückenden Infanterie [gemäß dem
Schlieffen-Plan, der Grundlage des Einmarsches in Frankreich]. |
Vormarsch Richtung Frankreich |
24.8. |
Am
Abend des 24. August gelangten wir an die belgisch, französische
Grenze, nachdem wir bis hier den feindlichen Widerstand leicht
brechen konnten, hatte sich der Feind nun stark verschanzt.
Bereits um Mitternacht mußte er eiligst seine Stellung räumen, 8
Geschütze und viel Munition war die Beute. Trotz Müdigkeit ging
es mit Anspannung aller Kräfte weiter, dem Feind immer auf dem
Fuße folgend, machten wir täglich Gefangene. Alles mögliche ließ
der Gegner auf der Flucht zurück, an Fahrzeugen, Verwundeten
usw. Auch sahen wir hier die ersten schwarzen Truppen [farbige
Soldaten], die uns später sehr zu schaffen machten. |
c) Frankreich
Einmarsch in Frankreich |
|
Unser Eilmarsch setzt sich Tag und Nacht bei größter Hitze fort,
die Stadt St. Quentin [70 km
südwestlich von Maubeuge] mit seiner [ihrer] wundervollen
Kathedrale blieb rechts liegen, sie war von der 2. Kav.[-]Division
schon besetzt worden. |
eiliger Vormarsch |
|
Allnächtlich wurde zwei Stunden Biwak bezogen, diese Zeit wurde
benutzt, um in erster Reihe
– 7 –
die
Pferde zu versorgen, tränken, füttern, um[zu]satteln usw.
Letzteres war wegen der unheimlichen Hitze und dickem Staub sehr
notwendig, um die Sattellagen [Pferderücken] nicht wund zu
scheuern. Das Füttern ging insofern schnell, als auf den Feldern
eine Menge Hafer stand, teils schon gemäht. Das Tränken so viel
schlechter, da die Brunnen meist schnell leer waren. Dann kam
man selber [dran mit der Versorgung. Reiterspruch: „Erst das
Pferd, dann der Reiter!“]. Lagen wir in der Nähe eines Dorfes,
so hatten wir es für gewöhnlich leicht, etwas Weißbrot,
Marmelade, [eine] Flasche Rotwein oder gar Geflügel zu
ergattern, andernfalls lebten wir von den Zuckerrüben auf den
Feldern. An unsere Bagage [= Tross] war überhaupt nicht zu
denken, die bekamen wir erst [wieder] nach Wochen zu sehen. Da
das Wasser knapp war, konnten wir uns selten waschen,
infolgedessen war vor lauter Staub und Schweiß alles ein Dreck.
|
schwierige Versorgung |
28.8.,
18
Uhr |
Am
28. August nachmittags 6 Uhr erreichten wir die großen Wälder
von Epernay [an der Marne, 25
km südlich von Reims, 115 km östlich von Paris], dort lag
auf hohem Berge eine alte Schloßruine, wo ehemals Napoleon I.
seinen Sommersitz hatte. Auf einer anliegenden Wiese, die gerade
unsere Division aufnehmen konnte, wurde Rast von vier Stunden
gemacht. Jeder badete sich in dem See, um endlich einmal
gründliche Reinigungen zu halten. Leider war nichts [keine
frische Verpflegung] zum beißen da, sodaß nur derjenige einen
Bissen nehmen konnte, der noch etwas besaß. Auch ich mußte mit
knurrendem Magen warten, bis sich mal etwas erwischen ließ.
Angesichts der schweren Tage, die nun kommen sollten, war mir
doch etwas schlecht zu Mute. [Deutscher Soldatenspruch: „Ohne
Mampf kein Kampf!“] |
|
28.8.,22
Uhr
–
1.9., 4
Uhr |
Etwa um 10 Uhr abends ging der
Marsch wieder los[,] und zwar ununterbrochen, das heißt, es
wurde nur so viel Halt gemacht, wie
– 8 –
zum
tränken [der Pferde] nötig war, bis zum 1. September morgens 4
Uhr. Das waren also drei Tage und Nächte [immer nur voran],
glücklicherweise bekam ich inzwischen noch ein halbes Weißbrot
von meinem Vizewachtmeister [etwa Feldwebel-Rang] Hass. |
|
1.9. |
Durch diesen ermüdenden Ritt waren wir dem Feinde ganz nahe
gekommen, derselbe hatte in dem 2 klm. vor uns liegenden Dorfe
Quartier bezogen. Offenbar waren auch die [feindlichen Soldaten]
stark abgespannt, denn es blieb vorerst alles ruhig in Nery,
so hieß das Dorf. Wir griffen sofort an, indem unsere drei
Kavallerie[-]Brigaden halbkreisförmig attackierten, während wir
so von allen Seiten in das Dorf kommen, werden wir aber aus den
Häusern mit schwerem Maschinengewehrfeuer empfangen, daß uns
arge Verluste kostete. Da so nichts gegen die englische
Infanterie auszurichten war, mußten wir uns zurück ziehen und
gingen nun in Schützenlinie [wieder zum Angriff] vor.
|
Kämpfe bei Dorf Nery |
|
Unsere Artillerie hatte den Kampf
mit der englischen Artillerie aufgenommen, die in Stärke von
drei Batterien eng aufgebaut vor der Kalksandsteinfabrik links
vom Dorfe stand. Wir lagen teilweise im Haferfelde in Höhe
unserer Artillerie, diese hatte bereits sieben Geschütze vom
Feinde erledigt, das achte kam [von Pferden gefahren] im Galopp
aus dem Dorfe heraus, kaum war es bei der Fabrik angelangt, so
wurde auch dieses durch zwei Schüsse [Granatentreffer] zusammen
geschossen. |
Artilleriekampf |
|
Somit hatten wir durch feindliche Granaten nicht allzu viel
Kummer mehr, aber auch unsere Geschütze waren bis auf vier
zusammengeschrumpft [hatten nur noch vier klare Geschütze],
teilweise durch Rohrplatzen.
Plötzlich hörten wir links von uns die Engländer rufen, schnell
wurde [mit dem Beschuss] dorthin gehalten, aber sie hatten schon
10–15 Mann vom linken Flügel geschnappt [gefangengenommen].
|
eigene Verluste |
2.9. |
Am
folgenden Tag dem 2. Sept. setzten wir uns vom Feinde
– 9 –
ab,
da er eine erhebliche Übermacht besaß. Den ganzen Tag über
versuchten wir zu entkommen, aber ringsherum fanden wir keinen
Ausweg. Der [feindliche] Ring zog sich immer enger zusammen, bis
wir dann in der Dunkelheit lautlos mit Mann, Roß, Wagen und
Geschütz, hoch oben in einem Wald und dichtem Unterholz
bestandenen Berge verschwanden. So gut es nur eben möglich war,
nahm alles volle Deckung. Geschütze, M.G.[,] Fahnen und
Standarten wurden vergraben. |
drohende Einkesselung |
[bis 4.9.] |
In
dieser ernsten Situation verbrachten wir volle 2 Tage und
Nächte, bis es durch [Aussendung einer] Fernpatrouille gelang,
mit rückwärtigen Truppen die Verbindung herzustellen. Mit einem
Schlage waren wir wieder gefechtsfähig, aber vorerst aber
bedurften wir einer Erholung, denn seit 3 Tagen gab es nichts
mehr für den knurrenden Magen. |
von
eigenen Truppen entsetzt |
[bis 6.9.] |
Um
so erfreulicher war es, daß wir zwei Tage Ruhe erhielten, die
auch voll und ganz ausgenutzt wurden, um Roß und Reiter waren
wieder frisch zu stärken für kommende Tage. |
|
|
Abb. 6. Gustav
Ostendorf zu Felde (Ort und Datum unbekannt), hier mit
einfacher Mütze, umgehängtem Gewehr und als Dolch getragenem
Bajonett (Seitengewehr). |
|
9.9. |
Bis
zum 9. Sept. wurde der Vormarsch fortgesetzt, nun aber stießen
wir auf starke feindliche Truppenmassen, die uns zum schnellem
Rückzug zwangen. Dies war der erste schwere Schlag den wir
erhielten, es bildete sich hieraus die Marneschlacht von 1914.
Hiermit war uns der weitere Weg nach Paris abgeschnitten, es war
uns nur vergönnt, den Eiffelturm aus der Ferne zu beobachten.
[Weitestes Vordringen dieser Armee bis
zum Fluss Grand Morin südlich von Montmirail ca. 60 km östlich
von Paris, vgl. Karte vom westlichen Kriegsschauplatz.] |
Marneschlacht |
[nach 12.9.] |
Nach der Marneschlacht
[5.-12.9.1914]
brach der Feind mit starken Truppen vorwärts, so hatten wir
schwere Tage in den darauf folgenden Kämpfen an der Aisne,
dann in der Schlacht bei Nojon und hierauf an der
Somme zu bestehen. |
Folgekämpfe (deutscher Teilrückzug) |
|
Da auf beiden Seiten mit äußerster
Zähig-
– 10 –
keit gefochten wurde, kamen die Kämpfe [die Fronten] zum
Stillstand. Es bildete sich nach und nach eine einheitliche
Front von den Vogesen bis zur Nordsee.
[Örtlichkeiten auf der Frontlinie des Stellungskrieges an der
Westfront: von den Vogesen im Elsaß und knapp nördlich von
Verdun und Reims im S, fast bis Compiègne im SW (75 km von
Paris), und Noyon / Somme / Arras / Lille / Ypern / Nieuport im
W (dortige Front wich bis 1917 noch bis zu 30 km nach O).]
Über weitere Einzelheiten in dieser Kampfperiode will ich näher
zu schreiben lieber unterlassen [!], |
stillstehende Front (beginnender Grabenkampf) |
25.-.26.9. |
aber eines muß ich hier festhalten[,] und zwar den 28. Sept.
1914. An diesem Tage verlor ich nämlich meinen treuen Schul- und
Schwadronskollegen Berthold Kimme
[aus Brake, Ostendorfs Heimatstadt an
der Weser im Großherzogtum Oldenburg]. Wir hatten am 25.
und 26. in der Kürassier[-]Kaserne zu Cambrai
[50 km südwestlich von Maubeuge]
in Alarmbereitschaft gelegen, da mein Freund den
Schlachterberuf [und Zugriff auf die Fleischvorräte] hatte, so
war es uns noch vergönnt, gemeinsam ein gutes Beefsteak zu
verzehren. |
Episode um den Tod des Kameraden: |
27.9. |
Am
folgenden Morgen, dem 27. rückten wir frühzeitig ab, um dann
auch bald in Verfolgungsgeplänkel mit dem Feinde zu gelangen.
Während der Nacht vom 27. zum 28. bekam unsere Schwadron den
Befehl, als rechte Seitendeckung unserer Division zu fungieren. |
|
28.9.,
4
Uhr |
Im
Verlauf dieses Auftrags kamen wir am Morgen um 4 Uhr beim Dorfe
Ervillers an, an der großen Straße Cambrai – Arras
gelegen. Da der Feind hier starke Gegenwehr leistete, so nahmen
wir hinter einem kleinen Gehölz rechts vom Dorf, Deckung.
Inzwischen war unsererseits die Division von der Lage
verständigt worden, |
|
ca.
6 Uhr |
die
[Division] dann nach etwa 2 Stunden an Ort und Stelle eintraf.
In einer kleinen Mulde vor dem Dorf nahm sie
Bereitschaftsstellung ein, die Funkstation wurde aufgebaut und
die Artillerie ging 600 m davor in Stellung. |
|
|
Etwa 100 m hinter dieser befand sich ein tiefer Hohlweg, in
diesen hinein wurde unsere Schwadron befohlen, zur Deckung der
Artillerie. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und sandte ihre
sengenden Strahlen hinab, die ihre Wirkung auf die ohnehin schon
trockenen Kehlen nicht verfehlten. Gegen Mittag wurde die
prickelnde Hitze in diesem, von jeden Luftzug freien Hohlweg
schier unerträglich,
– 11 –
dazu hatten sich hüben und drüben das Artillerie[-]Feuer immer
mehr verstärkt. Um am Nachmittag solchen Umfang anzunehmen, als
befinde man sich in einer Hexenkessel. |
Schwadron deckt Artillerie |
|
Noch waren waren die feindlichen Granateneinschläge nicht allzu
wirkungsvoll gewesen, mit einem Schlage aber änderte sich das.
Ich sehe noch, wie eine gerade weg reitende Patrouille in
nächster Nähe zwei Volltreffer erhielt, wobei alles den Tod
fand. Gleich darauf mußte sich die Division zurück ziehen und
die Reihe war an uns, denn die nächsten Volltreffer lagen eben
hinter uns, sodaß wir den Dreck in die Augen erhielten. Was nun
kommen mußte, sah ein jeder voraus, aber wir mußten aushalten,
wenn die Artillerie nicht verloren sein sollte. Schon saß eine
Salve zwischen uns, die uns mit drei Mann veranlaßte, etwas
weiter nach rechts unter eine mächtigen Felsblock zu kriechen,
der oben an der Kante lag. Bei diesem Kriechen aber ereilte uns
das traurige Schicksal, es sauste eine Granate hart oben an der
Böschung in die Erde, um dann mit lautem Knall zu krepieren. Mir
fehlte die Besinnung, vielleicht während eines Zeitraumes von
5-10 Minuten, |
Granatentreffer |
|
wie
ich wieder zu mir kam, lag ich unten auf dem Wege, neben mir
mein treuer Freund und ein anderer Kamerad. Beide waren zu
meinem größten Schrecken tot, desgleichen ihre Pferde. Da ich
stark mit Blut befleckt war, glaubte ich an eine Verwundung,
aber ich konnte bald feststellen, daß ich unversehrt geblieben
war. Mein Pferd fand ich später bei meiner Truppe wieder, denn
die Schwadron war doch inzwischen ausgerückt, manchen Kameraden
und Pferde tot zurück lassend. Auch die Artillerie hatte
inzwischen schwere Verluste erhalten, sodaß sie ebenfalls
schleunigst die Stellung räumen mußte. Sie jagte bald darauf mit
allen Geschützen durch den Hohlweg, ohne Rücksicht der
– 12 –
Kameraden, die hier gefallen waren. Nach diesen Erlebnissen des
Tages war ich dermaßen abgespannt, daß ich mich nun [jetzt] erst
zurück begeben konnte. Ich lief dann so schnell es nur ging, dem
Dorfe zu, dort hatte[n] am Dorfrande unsere
Maschinengewehr[-]Abteilung und andere Schützen eine
Verteidigungsstellung hergerichtet. |
2
Gefallene |
|
Auf
dem Weiterweg durch das Dorf sehe ich etwas schwarzes aus dem
Kirchturmfenster fliegen, unten auf dem Pflaster schlägt es hart
auf, es ist der Dorfgeistliche der dort in den letzten Zügen
liegt. |
geistlicher Spion |
|
Ein
Beobachterposten unserer Artillerie hatte ihn dort oben am
Telefon gefunden, nun erst klärte sich die Sache auf, wie es
möglich war, das der Feind ein so zielgenaues Feuer unterhalten
konnte. Er [der Geistliche] mußte seine Freveltat nun mit dem
Tode bezahlen. |
|
|
Beim Regiment finde ich mein treues Pferd unverletzt wieder, es
war der Schwadron beim Rückzug gefolgt. Ich selbst meldete mich
beim Wachtmeister [etwa Hauptfeldwebel-Rang] zurück, ebenfalls
den Tod meiner beiden Kameraden. Ich ging daraufhin mit dem
Feldarzt und mehreren Kameraden wieder zur Unfallstelle, das
Bild hier war schauderhaft, ein wüstes Durcheinander von
zerschossenen Pferden und Reitern. Nachdem der Arzt den Tod bei
letzteren festgestellt hatte, gingen wir daran, die treuen Toten
in Frankreichs Erde zu betten. Leider konnten wir nur die beiden
Kameraden, die an meiner Seite ihr Leben einbüßten, dem
blutgetränkten Boden übergeben [und nicht auch die Pferde?],
denn der Feind schickte zum Angriff an. Da es mittlerweile
dunkel wurde und wir [unsere Einheit] viel zu schwach waren, so
war an ein Standhalten nicht zu denken. |
Gefallene beerdigt |
[30.9.] |
Wir
schlugen die Marschroute nun weiter in nördlicher Richtung ein,
und gelangten nach zwei Tagemärschen in die Gegend zwischen
Arras – Donai
[20 km nordöstlich].
Dieser Ritt
– 13 –
mutete mich sehr einsam und verlassen an, denn ich vernahm nicht
mehr die Stimme meines lieben Freundes, mit der ich so lange
verbunden gewesen war. |
Ritt nach Arras
(Ende der Episode) |
[bis ca. Mitte Oktober] |
Harte und schwere Tage[,] die wieder folgten, ließen auch hier
bald andere Gedanken aufkommen. Es entwickelte sich nämlich die
vierzehn tägige Schlacht bei Arras, in dessen [deren] Verlauf
der Feind geschlagen wurde. In erster Linie hatten wir es hier
mit farbigen [Feind]Truppen zu tun, die mit Vorliebe aus Bäumen
[heraus] schossen. |
Schlacht bei Arras |
[vier Tage im Oktober]
9
Uhr |
Hiervon ein Fall, an einem heißen Tage in aller Frühe begann
wieder der Vormarsch, mein Regiment übernahm Vorhut und Spitze.
Etwa um neun Uhr morgens erreichten wir vor uns liegende große
Wälder, ahnungslos war die Spitze bereits hinein geritten,
plötzlich prasselte von allen Seiten ein Hagel von M.G. und
Gewehrfeuer auf uns nieder. Zuerst konnten wir garnicht
feststellen, woher die Schüsse kamen, bis wir dann schließlich
oben in den Bäumen hunderte dieser schwarzen Gesellen
erblickten. In aller Eile hatten wir uns inzwischen hinter einer
Häuserreihe vor dem Walde zurück gezogen, abgesessen, um nun im
Fußgefecht wieder vorzugehen. Bald schloß sich unserem Vorgehen
noch ein Landwehr[-]Inf.[anterie-]Regiment an. Während wir nun
im Walde ankommen, beginnt dort oben ein gellendes Geschrei, daß
unsererseits mit wohlgezielten Salven beantwortet wird. Einer
nach dem anderen purzelt von den Bäumen, aber vier Tage lang
dauerte es, bis die Wälder gesäubert [feindfrei] waren. Leider
hatten auch wir erhebliche Verluste, einen Kameraden, der neben
mir einen Kopfschuß erlitten hatte, brachte ich mit zum
Verbandsplatz, wo er zwar bald darauf tot zusammenbrach.
|
Gefecht mit farbigen Feindtruppen |
|
Vom
hier gingen wir wieder in den Wald zurück [wo immer noch
gekämpft wurde], plötzlich schrie
– 14 –
kurz vor uns jemand auf, einen schnellem Sprung durch das
Gebüsch vor und sahen gerade noch, wie ein Schwarzer dabei war,
einem schwerverwundeten [deutschen] Hauptmann den Garaus zu
machen. Ein wohlgezielter Schuß eines Kameraden streckte den
Neger jedoch rechtzeitig nieder. Niemand war glücklicher als der
alte Hauptmann, trotz seines schweren Oberschenkelschusses, wir
brachten auch ihn zurück. |
deutscher Offizier gerettet |
[ca. Ende Oktober] |
Nach diesen [ironisch sogenannten] schwarzen Tagen folgte die
vierzehn tägige Schlacht bei Lille, es ist dies eine kleine
Festung, die wir nach der Eroberung durchritten, um dann in
südlicher Richtung wieder abzubiegen. |
Schlacht bei Lille |
bis
4.11. |
Zum
erstenmale kam wir nun am Yserkanal zwischen Ponta Rous
und Deulemont [13 km
nordwestlich von Lille, an der belgischen Grenze, halbe Strecke
nach belg. Ypern] in einen regelrechten Schützengraben
bis zum vierten November. |
Schützengraben-Krieg bei Lille |
5.-12.11. |
Am
folgenden, dem Tage meines [21.] Geburtstages
[damals gesetzlich volljährig],
rückten wir dort ab und bezogen nach mehreren Marschtagen zwei
Tage Quartier in Waterloo
[15 km
südlich von Brüssel] und hierauf bis zum zwölften in
Mön [Mons 25 km südwestlich von
Brüssel?] in Belgien. |
Abzug über Belgien Richtung Waterloo und Mön |
Datierung |
Wiedergabe der
[erläuterten oder korrigierten] Originalaufzeichnungen
|
Gliederung |
|
Abb. 7. Die
Ostfront mit ungefährem Bewegungsprofil von Gustav
Ostendorf, eingetragen in einen zeitgenössischen
Geschichtsatlas (zum Vergrößern anklicken). |
II. Ostfront
2. Feldzug |
12.-16.11. |
Mit
diesem Tage hörte die Tätigkeit [unser Kriegseinsatz] im Westen
auf, um am folgenden [auf die Bahn] verladen zu werden mit dem
Ziel nach dem Osten [Ostfront]. Diese Fahrt ging über Lüttich,
Herbesthal [Heresthal, von
Belgien östlich quer durch Deutschland], Aachen,
Magdeburg, Berlin-Lichterfelde, Frankfurt
a/d Oder, Posen nach Allenstein
inWestpreuhsen [sic, im Ermland]. |
a) Deutschland,
West-/Ostpreußen
Verlegung an die Ostfront |
16.11. |
Hier wurden wir am Morgen des 16. Novembers bei winterlichem
Wetter ausgeladen. In der Stadt selbst befand sich noch
ahnungslose, russische Kavallerie
[für Deutschland
siegreiche Schlacht bei Tannenberg bereits 26.-30.8.1914],
die gegen Mittag teils geflüchtet, teils gefangen genommen war.
Auf einem zwei Kilometer außerhalb der Stadt liegenden Gut kamen
wir in Quartier, das wir drei Tage lang beibehielten, um die
Ankunft der [restlichen] Division abzuwarten. Das Gut war von
den Russen bereits arg verwüstet worden, sonst sämtliches
lebendes Inventar hatten sie mit gehen lassen. Inzwischen wurden
einzelne Patrouillen der Grenze zu geritten, wo aber nur
kleinere feindliche Kräfte an-
– 15 –
getroffen wurden. |
Vertreibung restlicher
russischer Truppen, Lager auf einem Gut in Allenstein |
20.11. |
Am
20. Nov. wurde die Grenze geschlossen passiert, am nächsten Tage
schon hatten wir mit stärkeren feindlichen Truppen zu fechten,
woraus sich der dreitägige Kampf zwischen Cichanow u. Lipa
[südlich Ostpreußens]
entspann,
der den Feind warf. Leider ging die Verfolgung nur sehr langsam
vorwärts, da wir für den Winterfeldzug fast garnicht ausgerüstet
waren. In aller Eile wurden die Pferde mit Stolleneisen
versehen, bald bekamen auch wir die nötigen Wollsachen, um vor
der grimmigen Kälte geschützter zu sein, um nun in schnelleren
Tempo vorzurücken. |
b) Russland /Westpolen
Kämpfe hinter der russischen Grenze |
|
Dies Vorrücken dauerte vielleicht 14 Tage lang, während dieser
Zeit hatten wir stark unter der Kälte zu leiden, weil obendrein
auch kein Quartier bezogen werden konnte, mußte [unter freiem
Himmel] biwakiert werden. Was daß in diesen bitterkalten Nächten
bedeutet, lernten wir hier gründlich kennen, todmüde stellte man
sich mit seinem Pferden an einen Baum und schlief ein. Nicht
lange, und man war in die Knie gesunken, aber der tiefe Schnee,
der die Glieder erstarrte, ließ uns bald wieder munter werden.
Nun wieder warm zu werden, kostete viel Mühe, war man dann so
weit, so verfiel man in einen desto tieferen Schlaf.
|
Probleme mit großer Kälte |
|
Hinter dieser einsamen Gegend, etwa 6-7 Kilometer nordöstlich
der kleinen Judenstadt Mlawa
[20 km unterhalb der Südspitze Ostpreußens] setzte sich
der Feind im hügeligen Gelände wieder fest. Der Angriff war
befohlen, die linke Flanke hatte unser Regiment, hinter einigen
verlassenen Panjehäusern wurde Halt gemacht[,] um nach links
heraus zu sichern. Beiderseits war rege Artillerietätigkeit,
jede Granate ließ die schwarze Erde mit dem weißen Schnee hoch
aufspritzen, ein schaurig, schönes Bild, wenn es nicht so bitter
ernst wäre. Plötzlich ging der Feind in nächster Nähe aus
schneeverdeckten Gräben zum Angriff über. |
Kämpfe bei Mlawa |
|
Das
ganze Gelände wimmelte von Russen, die uns
– 16 –
im
ersten Augenblick schwere Verluste beibrachten, ein Sergeant
[Stabsunteroffizier-Rang] neben mir bekam einen Mundschuß,
trotzdem konnte er noch mehrere Schüsse abgeben, und [um] dann
im blutgetränkten Schnee den Tod zu finden. Da wir uns nicht
behaupten konnten, mußten wir die Schwerverwundeten meistens
zurück lassen. Einige Fahrzeuge konnten noch beladen werden,
aber leider konnten sie erst spät abends bei einer
Sanitäts-Kompanie abgegeben werden. Die Kälte hatte wieder ihre
Opfer gefordert, da das Blut faustdick über den Wunden gefroren
war, so daß sie erst wiederum nach Stunden verbunden wurden.
|
schwere deutsche Verluste |
21.11. |
Am
nächsten Tage wurde mit verstärkten Truppen der Kampf wieder
aufgenommen, nach anfänglichem, heftigen Widerstand des Feindes
setzte er bald zum Rückzug an, der zu einem vollständigen
Zurückfluten ausartete. Am Nachmittage waren wir bereits dreißig
Kilometer
[Richtung Süd]
vorangekommen, |
neuer deutscher Vorstoß |
|
nun
erhielt ich mit meinem Kamerad von der zweiten Schwadron vom
Divisionsstab den schriftlichen Befehl, diesen [die Depesche]
zum Führer der Divisonsbagage[,] dem Prinzen von Hohenlohe, der
sich rückwärts in einem 25 Kilometer entfernten Dorfe befand, zu
bringen. Diesen Weg kürzten wir uns durch querfeldein reiten ab,
nach etwa einer Stunde kamen wir auf ein großes, freies und
hügeliges Gelände an. Hier hinderte uns starkes Schneetreiben an
ein schnelles [einem schnellen] Fortkommen, eisige Kälte schnitt
uns ins Gesicht, sodaß wir des öfteren gezwungen waren, unsere
Pferde einzulenken[,] um einmal tief Luft zu schnappen, und
einen kräftigen Zug aus der Rumflasche zu tun. In dieser Weise
trabten wir immer nebeneinander her, |
Einsatz als Botenreiter |
|
plötzliches Jammern ließ uns Halt machen, und wir sahen in
nächster Nähe sechs schwerverwundete Russen
– 17 –
zerstreut umher liegen. Sie hatten sich alle ein Loch in den
Schnee, und so weit es ihnen möglich gewesen war, auch in der
hartgefrorenen Erde gekratzt, um nach Möglichkeit vor der
eisigen Kälte geschützt zu sein. Die Finger waren somit total
blutig gescheuert, aus den schweren Wunden rieselte noch das
Blut, um draußen sofort hart zu frieren, sodaß sie bis zur
Unkenntlichkeit entstellt waren. Der eine mit einem schweren
Bauchschuß lag auf dem Rücken in sein[em] Loch und hielt sein
Kochgeschirr halb mit Wasser gefüllt, aber zu Eis gefroren uns
entgegen, und jammerte immer „Germanski Wadi“. Aber sein letzter
Wunsch mußte unerfüllt bleiben, denn in dieser öden Gegend, wo
kein Haus stand, konnte nichts Trinkbares herbei geschafft
werden. Mein Kamerad wollte durch Erschießen ihren Qualen ein
Ende setzen, durch Zureden hielt ich ihn davon ab, helfend
einzugreifen war leider unmöglich, so mußten wir sie dem
traurigen Schicksal überlassen. Derartige Erlebnisse waren keine
Seltenheit, zeigt uns aber den Krieg bei Eis und Schnee in
seiner ganzen Schwere. |
Verwundete russische Soldaten |
(13.-.18.12.) |
Wir
hatten dann mit dem Feinde fortlaufende Verfolgungskämpfe in
südöstlicher Richtung, woraus sich am 13.-18. Dez. 1914 die
Schlacht bei Lowitz und Saniki
[60 km westlich von Warschau] bildete. Hier erlitt der
Russe wiederum eine schwere Niederlage und zog sich in
allgemeiner Linie von Warschau zurück. |
südöstlicher Vorstoß, Schlacht bei Lowitz und Saniki |
|
Bei
dem nun folgenden Vorrücken kamen wir auch durch ein Dorf mit
dem Namen Ilo, eben außerhalb des Dorfes bot sich unseren
Augen abermals ein trauriges Bild. Hier hatten versprengte
Kosaken etwa 100 leichtverwundete deutsche Infanteristen, die
waffenlos in das Lazarett zurück gingen, überfallen und in
grausamster Art und Weise ermordet und verstümmelt. Solch ein
hinterlistiges Treiben erlebten wir später noch manches mal,
– 18 –
aber nicht jedesmal glückte es, so wie in diesem Falle.
|
Gräuel der russischen Armee |
22.12.1914 – 17.1.1915 |
Am
Abend des 22. Dez. 1914 kamen wir dann in Stellung an der
Rawka und Bzura vor Sochaschew
[50 km westlich von Warschau],
hier lagen wir bis zum 17. Jan. 1915, während dieser Periode
konnten wir trotz der zahlreichen Angriffe, den Feind
erfolgreich abwehren. |
Stellung vor Sochaschew |
|
In
dieser Stellung sah ich die ersten österreichischen
Motorbatterien mit 30,5 cm[-] Mörsern und die deutschen 28
cm[-]Langrohrgeschütze. |
neue Waffen der Mittelmächte |
19.1. |
Nachdem uns Infanterie abgelöst hatte, bezogen wir nach zwei
Marschtagen in dem kleinen Judenstädtchen Gostinin
Quartier [50 km nordwestlich von
Sochaschew]. Hier feierten wir nachträglich unser
Weihnachtsfest. Jeder Mann bekam in Hülle und Fülle, damals zum
ersten Feste im Kriege konnte Deutschland sich es noch erlauben,
solche Mengen an Liebesgaben hinaus zu schicken. Wir hatten noch
etwa acht Tage Ruhe und konnten uns somit an all’ dem vielen Eß-
und Trinkbaren recht gütlich tun. |
nachträgliche üppige Weihnachtsfeier in Gostinin |
[27.1.] |
Hierauf hatten wir einige Tage Weichselschutz vor Plock
[20 km nordöstlich von Gostinin],
inzwischen war der Feind nördlich der Weichsel mit starken
Kräften wieder in Ostpreußen eingedrungen. |
Weichselschutz/Russen wieder in Ostpreußen |
|
Abb. 8. Der
west- und nordpolnische Kriegsschauplatz mit ungefährem
Bewegungsprofil von Gustav Ostendorf, eingetragen in einen
zeitgenössischen Geschichtsatlas (zum Vergrößern
anklicken). |
|
Datierung |
Wiedergabe der
[erläuterten oder korrigierten] Originalaufzeichnungen
|
Gliederung |
[28.1.] |
Infolgedessen setzten wir uns in Marsch nach Thorn
[in Deutschland-Westpreußen],
wurden für mittags [auf die Bahn] verladen |
3. Feldzug
a) Dtld./Ostpreußen |
[29.1.]
4
Uhr |
und
am folgenden Morgen vier Uhr in Willenberg
[sicher nicht die über 100 km
entfernte Stadt an der Omulef, sondern ein gleichnamiger Ort
nahe Prostken – oder sie waren zuvor über Willenberg gefahren],
hart an der Grenze gelegen, wieder ausgeladen. |
Verlegung nach Prostken |
|
Ritten hart an der Grenze in nördlicher Richtung nach der
Grenzstation Prostken [im
südöstlichen Ostpreußen], wo sich der Gegner bereits mit
leichten deutschen Grenztruppen im Gefecht befand. |
Gefecht bei Prostken |
|
Die
kleine Stadt brannte an allen Ecken, der Russe hatte zum großen
Teil die Häuser ausgeraubt und dann angesteckt. Ein
vollständiger Zug mit Möbeln stand noch im Bahnhof, auch wurden
[sic] in den Dörfern jenseits der Grenze noch viel geraubtes Gut
vorgefunden. |
Russen plündern |
|
Nach
– 19 –
hartnäckigen Kämpfen warfen wir den Russen auf Grajewo,
bald darauf auf russisch Bialla und Augustowo
[russ. Grenzstädte in Nordost-Polen]
zurück. Leider hatte unser Regiment beim Sturm mit Infanterie
auf Grajewo erhebliche Verluste zu beklagen. |
b) Russland/Ostpolen
Zurückdrängen der Russen |
[7.-16.2.] |
Trotz dieser stark verminderten Kampfkraft mußten wir neun volle
Tage und Nächte bei unheimlicher Kälte in den großen Wäldern von
Augustowo Alarmstellung einnehmen. Allnächtlich kam die
heißersehnte Gulaschkanone mit Essen und heißem Tee mit Rum,
aber nur für eine Stunde brachte dies etwas Wärme, die übrige
Zeit war es ein nicht mehr schönes Gefühl[,] bis an den Knien im
Schnee zu stampfen und so den Schlaf zu suchen.
|
(Winterschlacht in Masuren)
Alarmstellung bei Augustowo |
[14.-15.2.] |
Am
7. und 8. Tage wurde es allmählich brenzlich, an beiden Seiten
rückten die Russen heran, zwar [bald] links auf der Flucht
begriffen, war er [„der“ Russe] rechts desto hartnäckiger,
|
|
[16.2.] |
aber am 9. Tage war diese Schlacht entschieden. Wir konnten die
ganze russische Njemen-Armee etwa in Stärke von etwa 120
000 Mann gefangen nehmen, tausende Geschütze und viele
Fahrzeuge, ja sogar drei Eisenbahnzüge erobern. |
russische Njemen-Armee gefangen |
[Ende Februar] |
Einige Tage darauf kam es mit den zum Entsatz herangerückten
[russischen] Truppen zu einer Schlacht am Bobr
[wenig südlich von Augustowo], |
Schlacht am Bobr |
|
hierbei hatten wir vor unserer eigenen Artilleriestellung im
Dorfe Krasnibor Unterkunft gefunden, das wurde für uns
zum schweren Verhängnis, denn vom frühen Morgen bis zum
Dunkelwerden bombardierte der Russe das Dorf [Flugzeugbomben,
oder Artilleriebeschuss?]. Manches Haus ging in
Trümmer, mancher Kamerad und [manches] Pferd erlitten mehr oder
weniger schwere Verletzungen, aber ein Zurück gab es nicht.
|
Russen bombardieren deutsche Dorfstellung |
bis
20.3. |
Am
nächsten Tage mußte aber doch etwas vor stark überlegenen,
feindlichen Truppen gewichen werden. Die Kämpfe wurden nun mit
wechselndem Glück bis zum 20. März 1915 in der Gegend um
Praschnitz und Krasna-Bora geführt
[nordöstlicher Vormarsch].
– 20 –
|
wechselndes Kampfglück |
bis
5.5. |
Nach mehreren Marschtagen erreichten wir die Gegend zwischen
Kalwarja und Mariampol [in
Litauen, 40 km östlich der Grenze Ostpreußens, Höhe Königsberg],
woselbst wir wieder bis zum 5. Mai 1915 den Schützengrabenkrieg
mitmachten. Hier beschränkte sich die Front auf beiderseitige
rege Feuertätigkeit [Schusswechsel], da nämlich in dieser Zeit
die Schneeschmelze einsetzte, so war ein Vorgehen
ausgeschlossen. |
c) Russland/Baltikum
Schützengraben-Krieg bei Kalwarja und Mariampol |
|
Die
Wege waren dermaßen grundlos, daß die Geschütze mit 12 – 14
Pferden gezogen werden müssten, um sie fortzubewegen, selbst
wir, mußten unsere Stiefel mit einem Bindfaden die durch
Stiefelstrippen [sicher die angenähten Stiefelschlaufen] gezogen
wurden, um die Beine festbinden, wollte man sie [die Stiefel]
nicht im Schlamm stecken lassen. |
Schlamm verhindert Bewegungskrieg |
|
Nach der Schneeschmelze folgte schönes Wetter[,] und bald ging
es wieder zur Offensive über. Wir wurden von Infanterie abgelöst
und setzten uns in Richtung Schaulen
[nördlich, halbe Strecke zw.
Ostpreußen und Riga] in Marsch, wo wieder Kämpfe
stattfanden, die später nach unserm Abmarsch nach Süden zur
Dubissa, einen hartnäckigen Verlauf annahmen. Aber auch wir
sollten an dem erwähnten Fluß nichts zu lachen haben. Wir
besetzten einen Abschnitt längs des Flusses in etwa 4 klm.
Ausdehnung zwischen und vor den Dörfern Lawgole und
Sawdinki. |
Wacht an der Dubissa |
eine Woche |
Diesseits lag flacher Ackerboden, worauf wir alle fünf Meter ein
Postenloch gruben, also ganz dünn lagen [in schwacher Mannzahl],
jenseits befand sich die russische Stellung treppenförmig am
Abhang einer Waldhöhe, somit bedeutend überlegen [geländemäßig
begünstigt]. Meine Schwadron hielt ein kurzes Grabenstück hinter
einem Gartenzaun, verstärkt durch zwei M.G., besetzt. Da vor uns
eine Furt vom Dorf durch den Fluß nach drüben führte, mußte hier
doppelt aufgepaßt werden. Wir schossen reichlich, um dem Feind
stärkere Truppen vorzutäuschen, |
dünne Besetzung an einer Furt |
|
das
ging es eine Woche lang gut, dann aber fühlte der Russe langsam
vor, bis eines Morgens durch starkes Artillerie-
– 21 –
feuer wir merkten, was kommen sollte. Tatsächlich stellte er
sein Schießen ein und ging in dichten Massen durch die Fuhrt zum
Angriff vor. Kaum aber war er halbwegs oben [an der
Uferböschung] angelangt, setzte unsererseits ein mörderisches
M.G.[-] und Gewehrfeuer ein, immer in die dichtesten Massen
hinein. Aber hinterdrein drangen mehr, immer mehr heran, fast
schien es, als würden sie uns samt und sonders überrennen. Ein
ganzer Haufen kam bis auf 50 m heran, wo sie [die Angreifer in
unserem Feuer] dann zusammenbrachen. |
russischer Angriff |
|
Wäre in diesem Augenblicke unsererseits keine Verstärkung
eingetroffen, so wäre es um uns geschehen, denn die Munition
ging zur Neige. Nachdem die schnell heran gezogene Artillerie in
Tätigkeit trat, war der Feind bald geworfen[,] und nun erst
konnte man in Ruhe die Unmengen der gefallenen Russen
betrachten. Viele Verwundete waren zurück gekrochen und hatten
ihren Tod im Fluß gefunden, was wir beim Vorrücken am folgenden
Morgen sahen. So war dieser ungleiche Kampf für uns siegreich
verlaufen, aber auch wir mußten einige Kameraden zurücklassen. |
rechtzeitige Verstärkung, starke russische Verluste |
|
Bei
den Verfolgungskämpfen erreichten wir in die Gegend um
Wyssoka Ruda und Koslowa Ruda
[sicher im Schaulener Umkreis,]
wo er [der Feind] noch Widerstand zu leisten versuchte, aber
auch hier weichen mußte. |
Verfolgung bis Wyssoka Ruda und Koslowa Ruda |
|
Nun
wurde die Infanterie am Feinde gelassen[,] und wir [als
Kavallerie] streiften die rückwärtige Gegend nach versprengten
feindlichen Truppen ab. Bei dieser Beschäftigung gelangten wir
in nördlicher Richtung bis in die Gegend von Kurschany –
Trischki [25 km nordwestlich
Schaulen], hier traf ich auf einem Melderitt mit meinem
früheren Regiments Kommandeur, jetzigen Div.[isions]
Kommand[eu]r. Generalmajor v. Selchow [, zusammen]. |
rückwärtige Sicherung besetzten Gebietes |
|
Da
hier die [deutsche] Front nur sehr dünn besetzt war, so war es
zwei Kosaken[-]Regimentern gelungen, durchzubrechen und das
hintere
– 22 –
Gebiet unsicher zu machen. Leider war es ihnen auch gelungen,
eine [deutsche] Fuhrpark-Magazin-Kolonne abzuschnappen, die
vollständig vernichtet wurde. Wir trafen am Tage darauf auf die
[der] Stelle ein, wo sie gehaust hatten, die Mannschaften waren
ermordet und verstümmelt, Pferde erschossen und Wagen verbrannt.
Diese Bande aufzustöbern und unschädlich zu machen war unsere
Aufgabe geworden. |
Jagd auf durchgebrochene Kosakenregimenter |
|
Zu
diesem Zweck bildeten wir ein kleines Detachement, Jäger z.
Pferde 6, Husarenregiment 15 und eine Artilleribatterie 3. Jedes
Regiment sandte eine Aufklärungseskadron zur Deckung aus, das
übrige [alle anderen Mannschaften] gingen als Schützen zu Fuß
vor, gefolgt von der Artillerie und den Handpferden, bei
letzteren befand auch ich mich. Dieses Vorgehen hatte schon zwei
Tage gedauert, ohne eine Spur zu finden. Das Gelände war teils
sumpfig, teils bewaldet mit Ges[t]rüpp bewachsenen Lichtungen.
|
Aufklärungs-Eskadronen |
25.6.,
4
Uhr,
12
Uhr |
Am
dritten Tage, den 25. Juni 1915 morgens um 4 Uhr[,] brachen wir
wiederum auf, der Tag war ein sehr heißer Sommertag, bis zum
Mittag konnte wieder nichts festgestellt werden, wir ließen die
Schützen weiter vorziehen und machten mit den Pferden und der
Artillerie auf einer größeren Lichtung Pause. Ich zog mit meinen
vier Pferden in den Schatten eines Busches, aß noch erst ein
Stück Brot und las im [„]Weserboten[“] aus der Heimat, den ich
am Morgen erhalten hatte. Während ich mich [sic] es ganz
gemütlich machte, sprengte plötzlich der Batterieführer heran
und rief:„fertig machen, aufsitzen.“ |
|
|
Im
selben Moment hörte ich auch schon links bei den Jägern das
russische „Hurrä“ rufen, also nun hieß es schnell zu sein.
Pelzmütze auf den Kopf, Gurte anziehen und aufsitzen war nur ein
Augenblick, eben war ich im Begriff, loszureiten, da traf mich
ein wuchtiger Schlag auf die Pelzmütze, die mir dabei über die
Ohren rutschte,
– 23 –
gleich danach einen weniger derben auf die Schulter. Jetzt ließ
ich die Handpferde laufen, gab meinem Pferde die Sporen und
sauste ab, setzte meine Haube wieder vernünftig auf und sah nun
erst, das[s] drei Kosaken mir [mich] verfolgten. Jetzt kommt ein
kleiner Graben, ich hinüber, meine Verfolger aber nicht, sondern
jagen wieder um [zurück]. |
Attacke dreier Kosaken |
|
Die
beiden Degenhiebe, wie ich nun sah, hatten mir keine Verletzung
beigebracht, der Stahldraht in der Pelzmütze war allerdings
beinahe durchgeschlagen, der zweite Schlag hatte meinen
Trageriemen halb durchgeschnitten, so hatte ich hatte also
wieder Glück gehabt. |
unverletzt |
|
Infolge dieser überraschenden Überrumpelung war natürlicherweise
alles in Unordnung geraten, fast alle unsere Handpferde liefen
herrenlos umher, teilweise hingen die Sättel ihnen unter dem
Bauch, da wir vordem die Gurte gelockert hatten. Vorerst ließ
sich dies nicht ändern, man konnte wegen dem aufwirbelnden Staub
die Lage nicht übersehen.. Ich hatte mir inzwischen eiligst eine
Lanze wieder genommen, und schloß mich einigen Kameraden an,
plötzlich kommt hinter einer vorspringenden Waldecke ein Jäger
daher gesaust, verfolgt von einem Kosaken-Offizier mit seinem
attakierenden Zuge [ca. 30-50 Kosaken]. Kaum hatten die Russen
uns bemerkt, schrieen sie „Germanski Husarri“ und machten
schleunigst kehrt, offenbar hatten sie keine Ahnung davon, das
auch [deutsche] Husaren da waren, der [Kosaken-]Offizier aber
wurde durch Lanzenstich eines [Husaren-]Kameraden erstochen, er
sank tot vom Pferde. |
neue Attacke |
|
Abb. 9.
Bildpostkarten mit Husaren in Paradeuniform aus dem Regiment
Königin Wilhelmina der Niederlande (Hannover) Nr. 15,
Standort Wandsbek – Ostendorfs Regiment, vor dem I.
Weltkrieg. Zu sehen ist die (bewimpelte) Lanze, von deren
Einsatz im Kampf Ostendorf berichtet. |
|
|
Allmählich sammelte sich immer mehr [unseres Verbandes] um uns,
in diesem Augenblick kam auch die Aufklärungseskadron heran[,]
und nun wurde unsererseits zur Gegenattacke angeritten, der
[die] einen vollen Erfolg brachte. Der Feind wurde unseren
Schützen in die Arme getrieben, diese teilten sich [in zwei
Schützenlinien], sodaß von drei Seiten her der Gegner beschossen
wurde.
– 24 –
Da
tauchte zum argen Pech des Feindes auch noch ein kleiner Fluß
auf, dort wurde alles vernichtet, was sich nicht ergab. Somit
hatten wir trotzdem doch siegreich den Kampf abschließen können. |
deutsche Gegenattacke erfolgreich |
|
Leider aber hatten auch wir wieder Verluste zu beklagen, meist
waren es schwere Kopfhiebe[,] die den Tod herbei führten, auch
mein Rittmeister und Eskadronchef [v. Weltzien] erhielt einen
schweren Schlag, wodurch das halbe Ohr mit rechter Backe
abgeschlagen wurde. |
eigene Verluste |
[ca. 10.7.] |
Nach diesen Tagen lagen wir etwa 14 Tage im Schützengraben an
der Wirwita [Gegend von
Kurschany,] wo zwar die Gefechtstätigkeit nur gering war.
|
Schützengräben an der Wirwita |
[ca. 24.7.] |
Von
hier setzten wir uns wieder in Marsch nach Hasenpot
[westliches Kurland, heute Lettland,]
und darauf folgte der allgemeine Vormarsch auf Mitau
[nach Osten, 40 km südöstlich Riga]. |
Vormarsch nach Mitau |
|
Nach anstrengendem Ritt[,] der Tag und Nacht fortgesetzt wurde,
erreichten wir bald nordwestlich von Mitau die Bahn
Mitau – Windau [heute Ventspils]
und besetzten diese. Der Russe hatten hier starke Stellungen und
Feldwachen gebaut, mit letzteren lagen wir an einer
Eisenbahnbrücke in fortwährendem Geplänkel. Bald war
festgestellt, das von hieraus die feindliche Stellung nur mit
großen Opfern genommen werden konnte, somit sollten wir durch
Feuerüberfälle den Gegner fesseln, währendem von Süden her
unsere Infanterie im Sturm vorging[,] |
bei
Bahnlinie Mitau – Windau |
Nacht vom 5.-6.8. |
und
in der Nacht vom 5. – 6. Aug. 1915 wurde die Stadt eingenommen.
Nachdem der Feind die festen Stellungen fluchtartig geräumt
hatte, zogen auch wir in die Stadt ein, wo wir von der
Einwohnerschaft, hauptsächlich Deutschen, mit Freuden empfangen
wurden. Ja sogar manche alte Bekannte trafen sich hier [wieder]. |
Mitau erobert |
|
Ohne uns aufzuhalten, wurde in südöstlicher Richtung
weitergeritten, um unterhalb Bausk an der Aa auf
drei Wochen den Schützengrabenkrieg wieder aufzunehmen. |
Schützengräben bei Bausk an der Aa |
|
Abb. 10. Ein
Doppelbogen (Seiten 24 und 25) mit Ostendorfs
Kriegserinnerungen. |
|
drei Wochen |
Die
Front war hier wiederum ziemlich ruhig, infolge dessen mußten
wir in der Zwischenzeit Erntearbeiten verrichten.
– 25 –
In
diesen drei Wochen haben wir auf dem Gute Billenhof doch
etwa 120 Fuder Roggen zusammen gefahren, daß heißt gemäht,
gebunden und in Diemen gesetzt [in Hocken aufgestellt]. Aber
schneller wie man ahnte, mußten wir unsere friedliche Arbeit
wieder mit dem rauhen Kriegshandwerk vertauschen. |
als
Erntehelfer |
[ca. 27.8.] |
Den
ganzen Tag hatten wir noch auf dem Felde gearbeitet, ich hatte
dann noch einen Melderitt zum Brigadestab zu machen, von da
brachte ich dann den Befehl mit, noch in der Nacht abzurücken,
also wieder Vormarsch, Schlaf Nebensache! Wir setzten über die
Aa, vielmehr ritten durch, wobei in der Dunkelheit
mancher Kamerad noch ein unfreiwilliges Bad nehmen mußte, weil
er eine tiefe Stelle nicht ahnen konnte [die Furt verfehlte
hatte]. |
Vorstoß über die Aa |
[ca. 28.8.] |
Bei
Tagesanbruch war alles drüben, die aufsteigende Sonne erinnert
uns, daß es wieder heiß werden sollte, eine kurze Rast und dann
ging es in scharfem Tempo längs der Bahn Mitau – Danzewas –Jabobstadt. |
|
|
Bald aber stießen wir in den Wäldern auf Kosaken-Patrou[i]llen,
und am Abend wußten wir, das der Feind sich am großen Waldrand
bei den Dörfern Strigge, Rose und Abermann
fest verschanzt hatte. Hier mußte also wieder Halt gemacht
werden, wir bauten ebenfalls Schützengräben, zogen so gut es
ging auch einen ganz primitiven Drahtverhau. Ich besetzte mit
zwei Zügen und zwei M. Gewehre[n] einer Radfahrer-Kompanie den
Kirchhofsrand von Rose, zu beiden Seiten befanden sich
größere Hügel[,] wo je ein M.G. eingebaut wurde. Hinter uns
ebenfalls hügeliges Gelände, sodaß sich unsere Artillerie
unsichtbar halten konnte, vor uns bis zur feindlichen Stellung
flaches Gelände, teils sumpfig, sodaß der Angreifer es nicht
leicht hatte, nur waren wir zu schwach, einen ernstlichen
Angriff abzuwehren, es kam aber anders. |
Stellung bei Dorf Rose |
21.9., morgens |
Nach kleineren Angriffen, raffte sich der Gegner am frühen
Morgen des 21. Septembers zum Hauptangriff auf, in dichten
Massen
– 26 –
brach er aus seinen Stellungen heraus, von schwerem
Artilleriefeuer begleitet, das von unserer Artillerie lebhaft
erwiderte wurde. Deutlich konnten wir sehen, wie dem Angreifer
arge Verluste beigebracht wurden, aber immer neue Massen wälzten
heran, sodaß man denken mußte, es geht uns an den Kragen. Aber
was half es, wir mußten ausharrten, wir schossen, was aus dem
Lauf heraus wollte, schon waren die ersten Russen an unserem ach
so schwachen Drahtverhau, |
russischer Angriff |
|
hier schien es, als sollte ein Stillstand eintreten, aber nein,
weiter ging es, sollte es nun ins Handgemenge gehen?, jetzt
geschah etwas ganz Unerwartetes, die ersten Russen warfen die
Waffen weg und sprangen über unseren Graben immer weiter nach
rückwärts laufend. Das war für die folgenden das Signal zum
Zurückfluten [in ihre Stellungen], ängstlich schaute ich mich
nach den Russen in unserem Rücken um, aber die waren kriegsmüde
[Überläufer]. |
massenhaft Überläufer |
|
Leider mußten mehrere Kameraden durch das Überlaufen ihr Leben
lassen, da nämlich unsere Artillerie glaubte, der Feind hätte
unsere Stellung genommen, so legte er sein Feuer dort hin
[verkürzten ihr Feuer und beschossen die eigenen Stellungen
(englisch = „friendly fire“)]. Schnell wurde ihr Mitteilung
gemacht[,] und nun konnte der fliehende Feind auf’s Visier
genommen werden, der nun abermals sehr schwere Verluste hatte.
|
Beschuss durch eigene Artillerie („freundliches Feuer“) |
|
Nachdem die Gefangenen[,] etwa 200 Mann[,] gesammelt waren, und
von Kameraden abtransportiert wurden, gingen wir am folgenden
Morgen wieder vor. |
|
[22.-23.9.] |
Bereits nach zwei Tagen gelangten wir zwischen Friedrichstadt
und Jakobstadt an die Düna. Dort besetzten wir das
diesseitige Ufer und durchsuchten die rückliegenden Wälder nach
versprengten Russen ab, |
Vorstoß an die Düna |
|
bei
dieser Gelegenheit kam ich in ein kleines
– 27 –
Waldhaus, wo mir die Matka (Frau) unter Tränen erklärte, die
[abziehenden] Kosaken hätten sie mit ihrer fünfjährigen Tochter
zurück treiben wollen, da es aber nicht schnell genug ging, und
die Deutschen in der Nähe seien, so habe [ein]er aus Wut ihr den
Unterarm mit dem Degen schwer verletzt und das Kind bei den
Haaren gepackt und an einen Baum geworfen. Die Richtigkeit
dieser Behauptung konnten wir feststellen, nachdem unserer
Sanitäts-Unteroffizier die Wunden [bei Mutter und Kind]
verbunden hatte. |
russische Brutalität gegen die eigene Bevölkerung |
[ca. Mitte Oktober] |
Nach etwa 14 Tagen löste uns Infanterie ab, wir setzten uns
wieder in Marsch und erreichten nach sechs Tagen etwa die Gegend
von Dünaburg. |
Vorstoß bis Dünaburg |
ab
13.11.1915 |
[Gustav Ostendorf ist jetzt 22 Jahre alt.]
Hier kamen wir links von Illusk
[20 km nordwestlich vom russisch gehaltenen Dünaburg]
abermals an der Düna in Stellung. Die Pferde kamen 20
klm. rückwärts in Quartier, jeder Mann hatte 8 Pferde zu
versorgen, alles andere [die anderen Soldaten] lagen vorne im [Schützen]Graben.
Alle acht Wochen wurde abgelöst und [wir] kamen für eine Woche
nach hinten. In dieser [Front]Stellung lagen wir ein volles Jahr
lang, vom 13.11.15 – 23.11.16 [.] |
bei
Dünaburg im Schützengraben |
[Ende 1915/ Anf. 1916, über Weih-nachten?] |
Von
hier aus erhielt ich meinen ersten Heimaturlaub [Termine anderer
Kriegsheimfahrten unbekannt], die Reise aus Rußland heraus war
gerade nicht angenehm bei der großen Kälte, auch die Eisenbahn
verkehrte damals noch schlecht.
[Dazu Sohn Helmut Ostendorf: „Über den Urlaub in der Heimat
keine Meldung“.] |
Heimaturlaub |
|
Von
der Heimat [an die Front] zurück gekehrt, mußte ich am selben
Abend noch in Stellung, denn der Feind machte oft größte
Überfälle über das Eis der Düna Allnächtlich arbeiteten
wir am Drahtverhau, immer stärker wurde die Stellung ausgebaut,
so war es uns möglich, den Russen stets abzuwehren. |
häufige russische Angriffe |
Frühjahr 1916 |
Da
kam das Frühjahr heran, mit plötzlichen [sic] Tauwetter. Dies
machte sich der Gegner zunutze, indem er unterhalb unserer
Stellung das Eis sprengte. Die Folge war, das[s] unser niedriges
Ufer [mit den darauf gelegenen Grabenstellungen] total
überschwemmte wurde. Während das feindliche hohe Ufer verschont
blieb, wurde bei uns von den 40-50 cm dicken Eisschollen,
getrieben von einer starken Strömung[,] die ganze Stellung
vernichtet.
– 28 –
Der
Drahtverhau war wie wegrasiert, die bombensicheren Unterstände
voll Wasser gelaufen und teilweise abgedeckt. Was wir bei diesem
feindlichen Unternehmen erlebten [und erlitten], war sicherlich
kein Vergnügen. Ich stand mit einem Ersatz[-]Rekruten hart am
Flusse auf Horchposten. Plötzlich vernahmen wir heftige
Explosionen und das Brechen des Eises. Ich ließ nun meinen
Kameraden zur Feldwache gehen, um dem Leutnant diesen Vorfall zu
melden. Schneller, wie [als] ich ahnte, mußte ich folgen, denn
das [einflutende] Wasser im [Schützen]Graben nahm bereits eine
bedenkliche Höhe an. Ehe wir es merkten, waren wir mit unserer
Feldwache von dem nassen Element vollständig eingeschlossen. |
Russen sprengen Flusseis und überschwemmen deutsche Stellungen |
|
Es
blieb also nichts weiter übrig, als in den wenigen größeren
Tannen den Morgen abzuwarten. Karabiner, Patronengürtel und
Brotbeutel wurden umgehängt, alles andere blieb der reißenden
Flut überlassen. Da die Fernsprechleitung nach rückwärts [zur
Truppe] gleich zu Anfang zerstört wurde, in der Dunkelheit
ebenfalls nichts über unsere Lage festzustellen war, konnte
unser Los kein Gutes genannt werden. |
Flucht auf die Bäume |
|
Erst beim Morgengrauen sahen wir, das[s] die Hauptstellung
ebenfalls unter Wasser stand und auch dort alles in den Bäumen
saß. Nur die Aufnahmestellung am großen Waldrand in 800 m
Entfernung lag hoch und trocken da. Diese traurige Lage nahm
sich der Russe zunutze, indem er die Bäume den ganzen Tag unter
Feuer nahm. Das waren schwere Augenblicke, mit anzusehen, wie
dieser oder jener Kamerad mit seinem Baum zerschossen in das
Wasser fiel oder ertrank und zerquetscht wurde von den mächtigen
Eisschollen. Am Abend stellte der Feind das Schießen ein, wir
konnten freier wieder aufatmen. Aber nochmals die Nacht hier [zu]zubringen,
konnte uns wahrlich nicht zugemutet werden. Wir entschlossen uns
nun, bis aufs Hemd und Unterhose auszuziehen und zur
Hauptstellung durch zu schwimmen, leider mußte
– 29 –
ein
Kamerad dabei seinen Tod finden durch Quetschung zwischen zwei
mächtige Eisschollen. Wir glücklich Angelangten, mußten nun
allerdings mit nassem Unterzeug wieder bei den anderen Kameraden
in die Bäume klettern [und frieren. Ganz zum Ufer konnten sie
wohl nicht.]. Nicht lange dauerte es[,] bis wir uns mit den
total erstarrten Gliedern kaum mehr halten konnten, plötzlich
fiel auch schon ein Mann ins Wasser und ertrank. Da endlich
hörte man Stimmen, in der Dunkelheit aber nicht zu erkennen, was
das war, bis dann jemand rief, der Brückentrain mit seinen
Pontons sei da. So konnten wir bis zum Hellwerden alle [d.h. die
Überlebenden – in rückwärtige Stellungen] zurückgebracht werden,
dort war für warme Unterstände, Essen und Kleidung bestens
gesorgt. Aber dennoch hatte sich mancher Kamerad eine schwere
Erkältung sich zugezogen und das Lazarett aufsuchen mußte
[müssen]. |
Verluste durch Beschuss und Ertrinken |
nach 14 Tagen |
Nach etwa 14 Tagen, inzwischen war auch starkes Tauwetter
eingetreten [von G.O. ersetzt durch:] geblieben, hatte das
Wasser der Düna seinen normalen Stand wieder erreicht. Jetzt
hatte unser wieder harte Arbeit, Tag und Nacht wurde geschanzt,
um die Stellungen nur einigermaßen fest [wehrtüchtig] wieder zu
haben. |
neues Schanzen nach Hochwasser |
Sommer 1916 |
Den
Sommer über wurde nur nachts gearbeitet, die Zeit verstrich dann
meistens mit mehr oder weniger ernsten Überfällen des Gegners,
die aber jedes Mal ihre Opfer kosteten. |
|
|
Auf
einem schön angelegten Soldatenfriedhof liegt so mancher brave
Kamerad[,] der hier sein Leben einbüßte. |
deutscher Soldatenfriedhof |
|
Abb. 11. Bildpostkarte vom deutschen
Soldatenfriedhof an der Düna.
Beschriftung vorne: Friedhof des Husaren
Regt. Königin Wilhelmina der Niederlande Hannov. No. 15 im
Osten [Ostfront, Russland, Baltikum].
Handschriftlicher Text hinten: Friedhof des Hus. Regmts No
15 in Grohsworiski bei Kaltenbrunnen im Oktober 1916.
Stellung an [der] Düna. Hier ruhen 22 Mann. Noose [der
Fotograph?] 1916 im Felde |
|
23.11.1916 [s.o. im Text] |
[Gustav Ostendorf ist jetzt 23 Jahre alt.]
Bald zog der Winter wieder ins Land, wir arbeiteten in der
Zwischenzeit für unseren Bedarf an Feuerholz[,] bis ganz
unverhofft der Befehl zum Abrücken kam. |
|
[Ende November] |
Nach einigen Tagen wurden wir in Subbat
[25 km nordwestlich von Illusk]
auf die Bahn verladen und nach zwei Tagen in Ugalen in
Nord-Kurland [30 km südwestlich
von Windau] wieder ausgeladen. Für die Nacht wurde auf
dem Gute Pussenuken in der Nähe des Bahnhofs Quartier
bezogen, am folgenden Tage erreichten wir nach einem 45 klm.
langen Ritt das größte Rittergut Kurlands[,] „Dondangen“
[ca. 30 km südlich vom Kurland-Kap
zwischen Ostsee und Riga-Bucht].
– 30 –
Dies wurde uns als Standquartier zugewiesen, |
d) Verlegung nach
Nord-Kurland
auf
ein Rittergut |
|
das
Regiment übernahm den Küstenschutz am Rigaischen Meerbusen
zwischen Domesnes – Klein – Irben in einer Ausdehnung von
50 klm. Hier war von Gefechtstätigkeit so gut wie nichts zu
spüren, ab und zu beschoß ein russisches Kriegsschiff die Küste
ohne Erfolg. Desto schlimmer hatten wir unter der enormen Kälte
zu leiden, wir hatten zeitweilig eine Temperatur von 40 °/C
unter Null, sodaß der [aufgestellte Wacht]Posten alle Stunde
abgelöst werden mußte. |
Küstenschutz am Rigaischen Meerbusen |
[über Weihnachten 1916 bis Pfingsten 1917] |
Am
Strande brauchte ich weniger Dienst tun, meistens stand ich vor
dem Gute auf Wache. Hier war ich bald mit dem Gutsgärtner und
dessen Familie, wo ich zu Anfang einige Tage einquartiert
gewesen war, auf’s Beste befreundet, zumal sie [die
Familienmitglieder] fließend deutsch sprachen und verstanden.
Fast täglich war ich dort im Hause, stets gut bewirtet von der
Tochter des Hauses, auch das Weihnachts=, Oster= und Pfingstfest
durfte ich dort erleben, wie es schöner nicht hätte in der
Heimat sein können.
[6.4.1917
Kriegserklärung der USA an Deutschland.] |
Familienanbindung im Gut |
9.6.1917, morgens |
Um so peinlicher [= schmerzhafter,
von „Pein“] war es, als es plötzlich wieder hieß, abrücken. Am
Morgen des 9. Juni 1917 waren wir auf dem Hofe aufmarschiert,
alle Mädel standen am Gartenzaun und betrauerten den Abschied,
wie der Kommandeur die Front [der Angetretenen] abgeritten
hatte, sprach er auch die Einwohner an[,] und nun gab’s noch
Geschenke an Kuchen u. Blumen. Ich hatte meinen großen
Topfkuchen schon am Abend vorher erhalten und erhielt nun noch
einen großen Blumenstrauß aus Vergißmeinnicht und Rosen von
meiner ach so traurigen Marie. Sie lief [während wir
abritten] noch eine Strecke mit, um dann auf Nimmerwiedersehen
zurück zu bleiben. Auch mir fiel es schwer[,] die friedliche
Stelle zu verlassen, hatte Sie [die junge Frau?] doch auch sehr
viel Gutes für mich getan, als dankbares Mädel bleibt sie mir
– 31 –
in
Erinnerung. Noch eine ganze Weile brachte sie es fertig, durch
andere Truppenteile Briefe zu schicken, ja, sogar ein volles
Jahr später bekam ich noch einen letzten Brief, worin sie mir
mitteilte, das[s] sie Photographie und Filzpantoffel abgeschickt
hätte. Beides erhielt ich tags darauf[,] seitdem war es alle
[Kontakt unterbrochen]. |
Soldatenbraut |
vier Wochen |
Also unser Marsch ging über Talsen, Stenden nach Tuckum,
dort wieder [auf die Bahn] verladen, ging die Fahrt nach
Kowno
[heute Kaunas, in Litauen] und Umgegend, woselbst das Bandenunwesen bekämpft wurde. Ich lag
dort vier Wochen mit in der Kaserne III nahe der beiden Forts
vier und fünf, wo man [an Kriegsbeschädigungen] die unheimliche
Wirkung der 42 cm[-]Mörser[granaten] beobachten konnte. Das eine
Fort war vollständig durch Volltreffer zerstört worden,
Felsblöcke von zwei Meter Durchmesser waren 100 m weit gepflogen
[sic]. |
e) Verlegung nach Kowno,
Banden bekämpfen |
Datierung |
Wiedergabe der
[erläuterten oder korrigierten] Originalaufzeichnungen
|
Gliederung |
[Juli 1917] |
Nun
wurden wir abermals [auf die Bahn] verladen, diesmal zu einer
sechstägigen Fahrt nach dem Süden[,] und zwar ging der Weg über
Landwarowo, Grodno
[heute Hrodna in Weißrussland], Bialystock
[Polen], Brest=Litowsk
[heute Brest in Weißrussland],
Kowel [heute West-Ukraine],
Lemberg [österr. Galizien,
heute West-Ukraine], Striyj
[60 km südlich Lemberg] nach
der kleinen Station Rosniato, im Vorgelände der
Karpathen gelegen. |
4. Feldzug
a) Österreich/ Galizien
Verlegung an die Karpaten |
[16.8.1917, s.u.] |
Kaum hatten wir den Zug verlassen, hieß es schon, das[s] der
Feind die Österreicher geworfen hätte. Schnell gings nun zur
Front, aber nach einer knappen, halben Stunde stießen wir auf
die ersten, fliehenden Bundesgenossen. Auf Anfragen, konnte
nichts Bestimmtes [genaue Lage] erfahren werden, wohl aber, daß
seit gestern abend die Front im Weichen sich befand. Bald
stießen wir auch auf stärkere [österreichische] Truppenmassen,
meist ohne Gewehr und Rucksack. Das gab es aber nicht [das
ließen wir nicht zu], vielmehr mußten sie wieder mit um [zur
Front zurück,] und am Abend erreichten wir wieder die alte [Front]Stellung,
der Feind war kaum über die[se] Stellung hinaus gekommen. Bald
war die unsere Division voll zur Stelle[,] um zwischen den
Österreichern eingesetzt zu werden. |
Stabilisierung der österreichischen Front |
23.8.1917 |
Wir
lagen acht Tage an der Lomitza, bis am 23. Aug. 1917 der
– 32 –
allgemeine Angriff unsererseits stattfand. Durch starke
Artillerievorbereitung war es uns möglich[,] dem Gegner bereits
am Mittag zum Weichen zu bringen. Sofort wurde unsere Bayrische
Kav.[-]Div., zu der wir gehörten [zugeteilt waren], zur
Verfolgung angesetzt, Tag und Nacht ging es in fortlaufenden
Kämpfen vorwärts. Auf dem Rückzug brannte der Feind manches
nieder, aber vieles wurde durch unserm [sic] harten Nachrücken
gerettet. |
Vorstoß an der Lomitza |
|
Die
Stadt Kolomea [110 km
südöstlich von Stryj, 60 km nordöstlich von Zernowitz]
war von den Russen stark befestigt worden, unsere Patrou[i]llen
vom Regiment hatten sich ganz nahe an die Straße vor der Stadt
heran geschlichen. Fanden aber den Eingang durch spanische
Reiter versperrt, plötzlich kommt ein feindliches Panzerauto auf
die Stadt zu gerollt. Vor dem Drahtverhau muß es halten, die
Russen kommen, die spanischen Reiter zur Seite setzend, aus
ihrer Deckung heraus. Da plötzlich knallen ein paar Salven
unserer unbemerkt gebliebenen Patrou[i]lle, [deren Soldaten]
stürmen vor und besetzen den Eingang [die Durchfahrt]. Durch
dies energische Zupacken, kam Verwirrung in die feindlichen
Reihen, die nun eiligst zurück gingen [flohen]. In der Stadt
wurde sehr viel Kriegsmaterial vorgefunden, unter anderem auch
ein vollständiger Zug mit Benzintankwagen. |
Einnahme von Kolomea durch Deutsche |
|
Weiter ging es in flottem Tempo über Sniatin
[35 km südöstlich von Kolomea],
Oroscheny, Satagora der galizischen Hauptstadt
Zernowitz entgegen. Nach der Einnahme dieser Stadt ging es
in südlicher Richtung in die Bukowina hinein bis
Radautz [55 km südlich von
Zernowitz nahe der rumänischen Grenze]. Dieser Ritt wurde
für Pferd und Reiter sehr anstrengend, denn die Karpathen haben
hier Berge [Erhebungen] von 3000 – 4000 Meter Höhe.
[27.8.
Kriegserklärung Rumäniens an Österreich-Ungarn.] |
weiterer Vormarsch nach Zernowitz und n die Bukowina |
drei Wochen [im September] |
Bei
Ober= und Unter=Horodneck [wohl
nahe Radautz] bezogen wir auf drei Wochen wieder eine
Stellung, die ziemlich ruhig blieb, was uns sehr zustatten kam,
denn wir waren bei der trostlosen Verpflegung bei den
Österreichern ganz herunter gekommen.
– 33 –
Auch wirkte die Hitze hier unten in’s Tal sehr ermüdent auf uns
ein [sic]. Wir wurden dann von österreichischen Truppen
abgelöst, die aber leider bald darauf die Stellung wieder
preisgaben, jedenfalls waren es wieder die tapferen K. u. K.
Truppen, die damals schon völlig versagten. |
Verbündetenschelte |
[ca. 1. Oktober-woche] |
Unsere Kav.[-]Division war inzwischen wieder auf dem Marsch nach
Zernowitz, nach mehreren Tagen trafen wir dort ein und
wurden in der dort befindlichen Kav.[-]Kaserne untergebracht.
Während dieser zweitägigen Ruhe traf ich einen
Regimentskameraden aus der Heimat[,] „Hans Golzwarden“[,] der
als Schlachter zur Heeresgruppe Litzmann abkommandiert
war. Ich hatte also nun [durch ihn] die schönste Gelegenheit,
mich mit den nötigen Fleischwaren einzudecken, auch für die
nächsten Tage bekam ich ein gutes Quantum mit. |
in
Kaserne in Zernowitz, trifft alten Bekannten |
6.10.1917, früher Morgen |
Am
frühen Morgen des 6. Oktobers 1917 wurden wir dann wieder in
Satagora[,] einem Vorort von Zernowitz[,] verladen. Es kam
nur unsere Husaren-Brigade fort, unser Bayrischer
Div.[-]Kommandeur v. Egglofstein ließ uns ungern fahren, in
seiner Abschiedsrede sagte er uns seinen besonderen Dank, indem
er uns pro Kopf eine Flasche Wein schenkte. |
|
|
Abb. 12. Der
rumänische Kriegsschauplatz mit ungefährem Bewegungsprofil
von Gustav Ostendorf, eingetragen in einen zeitgenössischen
Geschichtsatlas
(zum Vergrößern
anklicken). |
|
|
Mit
unbestimmten Reiseziel fuhren wir dann ab, erst ging es in
nordwestlicher Richtung wieder zurück über Kolomea und
Stanislaus, |
b) Rumänien
Verlegung ins Ungewisse |
|
hier war Verpflegung, Maissuppe mit einem Stückchen Brot und
Wurst gab es. Dieselbe Kost gab es auf den folgenden Stationen,
ein Zeichen, wie tief unser Bundesgenosse in wirtschaftlicher
Hinsicht damals schon gesunken war. |
Österreich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten |
|
Von
hieraus dampfte der Zug wieder in südlicher Richtung, unsere
Vermutung, [wieder] nach der Westfront zu kommen, bestätigte
sich also nicht. Die Reise ging durch die herrliche ungarische
Ebene, über die Städte Debretzin, Arad, Temesvar,
Luges durch den gebirgigen Engpaß, das sogenannte „Eiserne
Tor“ nach dem Grenzstädtchen Orsova
[an der Donau, heute Rumänien].
Letztere Stadt an der Dreiländerecke, Ungarn[,]
– 34 –
Serbien und
Rumänien gelegen, macht einen wundervollen Anblick, da sie
eng umschlossen ist von hohen Bergen und ihre Lage an der
schmalsten Stelle der Donau hat. Nach langer Zeit
bekommen wir wieder mal ein kräftiges Essen, von deutschen
Landsturm[-Angehörigen, volksdeutsche Ortsbewohner] gekocht, die
hier als Besatzung lag[en]. |
Fahrt durch Ungarn zum Eisernen Tor |
|
Bald ging die Fahrt weiter immer höher ins Gebirge hinein, dann
wieder durch Tunnels, über unzählige Brücken und wieder in
flottem Tempo in’s Tal hinunter. Eine ganze Strecke fuhren wir
hart an der Donau entlang, da nämlich der Engpaß hier so
schmal ist, das[s] der Fluß, Eisenbahn und Straße auf das eben
noch mögliche Maß zusammengedrängt sind. |
per
Bahn in die Karpaten |
|
Nach mehreren Stunden dieser Gebirgsfahrt erreichten wir das
erste rumänische Städtchen Turnu-Severin
[an der Donau, 20 km östlich hinter
dem Eisernen Tor]. Fast die ganze Bevölkerung stand hier
an der Bahn und verkaufte uns Weißbrot und die schönsten
Weintrauben, die auch reichlich genommen wurden. Weiter ging es
durch wunderbares Weinberggelände über die Städte Craiowa,
Piatra-Olt, Pitesti bis zur Landeshauptstadt
Bukarest. |
nach Bukarest/Rumänien |
|
Nach halbstündigem Aufenthalt fuhren wir durch flaches
Ackergelände, der sogenannten Walachei, weiter. Große
Korn, Mais= und Sonnrosenfelder wechselten hier miteinander ab.
Nach Lage der Dinge ist Rumänien ein gesegnetes, fruchtbares
Land. |
durch die Walachei |
15.10.1917, acht Monate |
Am
15.10.1917 wurden wir in Tandarei
[40 km nordwestlich der Donau]
ausgeladen, nun erst wußten wir, das[s] wir als Besatzung
Verwendung finden sollten. |
Verwendung als Besatzung |
[16.10.1917] |
Am
folgenden Tag ging es nach dem Städtchen Slobozin
[25 km südwestlich von Tandarei], |
|
[ca. 20.10.] |
nach weiteren Tagen nach dem Dorfe Fetesti an der
Donau [40 km südöstlich von
Slobozin]. Hier war Standquartier ein halbes Jahr bis zum
15.6.18. Zugewiesen wurden uns ein Abschnitt von 100 klm als
Donausicherung und 50 qklm Bezirk als Sicherung. |
|
|
Unsere Pferde hatten einmal schöne, wohlverdiente Ruhetage
wieder, in
– 35 –
einigen Wochen waren sie völlig wieder heraus gefüttert, um dann
aber auch zeitweilig längeren Dienst zu tun. Auch wir [Reiter]
konnten uns einmal wieder Ruhe gönnen, das heißt, wir durften
uns am Abend getrost in das Bett legen, welches wir hier
tatsächlich hatten, ohne durch feindliche Granaten gestört zu
werden. Da das Land unter den Folgen des Krieges in dieser
Gegend nur wenig gelitten hatte, so konnten wir für wenig Geld
allerhand einkaufen. Mancher schöne Braten und sonstige
Leckerbissen, die unser Magen lange entbehren mußte, konnten ihm
hier wieder geboten werden. |
Ruhe und gute Verpflegung |
|
Wir
hatten also nichts zu klagen, unter anderem unternahmen wir eine
Reise nach Konstanza am Schwarzen Meer. Da unser Dorf
direkt an der großen Donaubrücke lag, so war also leicht
das jenseitige Ufer erreichen, woselbst das
[15 km östlich liegende]
Städtchen Cernawoda liegt. Dieser Ort wird durch die Bahn
in 70 klm. Länge [Entfernung] mit Konstanza verbunden.
Hier am Schwarzen Meer findet man eben so wie am Nordseestrande
alle Bequemlichkeiten eines Badeortes. Die großen
Getreidespeicher zeigen uns an, das[s] hier der
Haupthandelshafen für aus[zu]führendes Getreide ist.
[Im
November 1917 wurde Gustav Ostendorf 24 Jahre alt.] |
Sommerfrische am Schwarzen Meer |
bis
15.6.1918 [s.o. im Text] |
[7.5.1918
Friedensschluss mit Rumänien nach dessen weitgehender
militärischer Niederlage und Besetzung sowie nach Besetzung der
russischen Ukraine durch die Mittelmächte.]
So
angenehm wir die [Zeit der] Besatzung einerseits fanden, so
unangenehm war sie andererseits in Bezug auf hygienische
Verhältnisse. Im Winter herrscht dort stark der Flecktyphus und
im Sommer bei der Siedehitze das Malariafieber, beides höchst
bedauerliche Krankheiten. Gegen erstere wurden wir geimpft
[mehrfach insgesamt] mit 8 ccm Blut von einem
Fleckfieberkranken, gegen die letztere mußten alle sieben Tage
10 Tabletten Chinin genommen werden, auch kein Vergnügen. [Laut
Soldbuch zwischen 1914 und 1918 Impfungen gegen Cholera, Typhus,
Pocken, Fleckfieber.] |
Seuchengefahr |
|
|
|
|
Abb. 13. a, b,
und c. Soldbuch des Gefreiten Ostendorf,
Links oben: Papierhülle
mit Vermerk der Beförderung zum Unteroffizier (nach
September 1917),
unten: Hinweis
auf die zusätzliche Funktion als Wehrpass. |
|
Datierung |
Wiedergabe der
[erläuterten oder korrigierten] Originalaufzeichnungen
|
Gliederung |
16.6.1918,
4
Uhr,
10
Tage bis 26.6. |
Am
16. Juni 1918 morgens 4 Uhr wurden wir dann wieder verladen, und
nach einer 10 tägigen Bahnfahrt in Rudensk (Weißrußland)
[35 km südöstlich von Minsk]
ausgeladen. Diese Reise
führte über Bukarest
[Rumänien],
Ploesti, durch den Predealpaß nach
[österr.-ungar.] Kronstadt,
dann weiter über Hermannstadt, Arad
[alle drei heute rumänisch],
Szolnock [Ungarn, 85 km südöstlich
von Budapest, vmtl. über Budapest], Oderberg
[österr.-mähr. Grenzstadt zum Dt.
Reich], Kattowitz
[Deutschland, Oberschlesien, nach I. WK polnisch],
Dombrowa [12 km nordöstlich von
Kattowitz, vmtl. russ. Polen], wo Entlausung stattfand,
von hier über Censtochau, Sternewice,
– 36 –
Warschau,
Brest-Litowsk, Baranowitschi
[letzte beide bis II. WK zu Polen,
heute Weißrussland], Minsk, für Umladung von der
Normalspur= auf die russische Breitspurbahn, um dann im
vorerwähnten Ort die Entstation [sic] erreicht zu haben.
|
5. Feldzug
a) Russland/
Weißrussland
Verlegung nach Rudensk in Weißrussland |
2
Tage, drei Wochen |
Nach 2 tätigem Ritt, bezog das Regiment auf Gut Dukora
und umliegenden Dörfern auf drei Wochen Quartier. |
auf
Gut Dukora |
|
Es
nahm nun wiederum an der Besatzung des Landes teil, indem wir
alle paar Wochen [in ein andres Quartier] umsiedelten und
hierbei ganz Weißrußland durchquerten.
[Friede von Brest-Litowsk zwischen Deutschland und Russland am
bereits am 3.3.1918.] |
wieder als Landesbesatzung |
|
In
dieser Eigenschaft lagen wir andauernd mit den Bolschewisten im
Kampf, da diese mordend und sengend das Land durchzogen. In
erster Linie waren es die Gutsbesitzer, die diesen Banden zum
Opfer fielen, somit lagen wir auch meistens auf Güter[n in
Quartier]. |
Kampf gegen bolschewistische Partisanen |
fünf Wochen |
Auch das Gut Rotnitza diente
zu diesen Zwecken für etwa 5 Wochen als Standort. Der Gutsherr
war hoch erfreut, Schutz gefunden zu haben, da in der näheren
Umgebung viel Blut geflossen war. Als Gegenleistung stiftete er
pro Kopf jede Woche 1 db [Zeichen für Pfund] Butter und täglich
1 Liter Milch[,] soll hier nicht unerwähnt bleiben.
Wir unternahmen eines Tages eine
nächtliche Streife[,], die auf 35 klm ausgedehnt wurde, beim
Morgengrauen erreichten wir das Gut Trianino, wir wie auf
das stattliche Herrenhaus los reiten, um unseren Pferden eine
kurze Futterpause zu gönnen, läuft uns schluchzend die Tochter
des Hauses entgegen und erzählt uns in deutscher Sprache von dem
grausigen Morde [Ermordung] ihrer Eltern in der letzten Nacht.
Danach sind um Mitternacht maskierte Räuber plötzlich in das
Schlafzimmer ihrer Eltern gebrochen, [haben] ihren Vater
kurzerhand aus dem Bette in die Schreibstube gezerrt, wo er Geld
und Wertsachen herausgeben mußte[,] und dann getötet durch
Trennen des Kopfes vom Rumpf. Das Gleiche sei mit ihrer Mutter
geschehen[,] und hierauf [haben die Raubmörder] beide Köpfe in’s
Eßzimmer auf den mit weißer Tischdecke überzogenen Tisch gelegt.
Sie selber sei aus ihrem Schlafzimmer schleunigst in den Park
ge-
– 37 –
flüchtet und auf diese Weise dem sicheren Tode entronnen. Von
der Tatsache dieser Erzählung konnten wir uns sofort überzeugen,
ein scheußlicher Anblick. Da die Tochter unter diesen
Verhältnissen nicht dort bleiben wollte, fuhr sie mit einem
vollgepackten Wagen hinter uns her und siedelte später nach
Grodno über. Nach wenigen Tagen erfuhr auch dieses
Verbrechen seine Sühne, durch Verrat waren die Täter schnell
überführt worden. |
Bolschewisten ermorden Gutsbesitzer |
|
Auf
die Dauer war dies Unternehmen [zur Befriedung des von uns
besetzten Gebietes] an der gewaltigen Ausdehnung des russischen
Reiches und des [nach ausgebrochener Revolution aufkommenden]
Bolschewismus zum Scheitern verurteilt. |
russische Revolution destabilisiert |
|
Da
aber mit der Sowjet-Republik auch ein Abkommen bestand,
daß besetzte Gebiet abschnittsweise wieder zu räumen, so war
auch hier Mord und Plünderung bald zu Hause. Wir räumten zuerst
das gesamte Gebiet nördlich der Bahn[linie] Minsk – Orscha
und bezogen nach einer Reihe von Marschtagen Standquartier auf
Gut Bjelnitschi und in dem gleichnamigen Dorf. |
deutsche Räumung nach Vertrag mit der Sowjetunion |
8.11.1918 |
Von hier kam ich Mitte Oktober
wegen Bartflechte in das Kriegslazarett 50 A nach Minsk und
wurde am 8. November, [drei Tage nach seinem 25. Geburtstag und]
am Tage vor der Revolution in Deutschland[,] auf mein Drängen
als ziemlich geheilt entlassen.
[Vom 8.-11.11.1918
Waffenstillstandsverhandlungen in Compiègne an der Westfront. Am
9.11.1918 Rücktritt des Kaisers und Ausrufung der Republik in
Berlin.] |
im
Kriegslazarett |
|
Abb. 14.
Ostendorfs Soldbuch mit eingetragenen Impfungen. An anderer
Stelle ist auch der Lazarettaufenthalt vermerkt:
Kriegslazarett 50a, Ortslazarett der Sanitätskompanie
638 Minsk, Aufenthalt (Behandlung) vom 12.10.
bis 7.11.1918. |
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Ich
war froh, aus dem schauderhaften Nest wieder verschwinden zu
können, denn die Stimmung war auch dort keine gute mehr. |
schlechte Stimmung nach Kriegsende |
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Mit
mir machte sich noch ein Kamerad auf die Beine, um das Regiment
wieder zu finden. Wir meldeten uns auf der Auskunftsstelle am
Bahnhof Minsk an, erhielten die Weisung[,] mit der Bahn nach
Borrisow
[70 km nordöstlich von
Minsk] zu fahren und dort bei der Postverteilungsstelle
weitere Mitteilung zu erhalten. Dort angekommen, wurde uns
gesagt, das Regiment ist auf dem Marsch in die Gegend von
Bobrisk
[130 km südöstlich von
Minsk]. Wir fuhren noch am selben Tage zurück nach Minsk
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Suche nach Regiment |
[9.11.] |
und
am folgenden Morgen nach der kleinen Station Grodsjanka
[80 km südöstlich von Minsk]. |
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Inzwischen war bei unseren Truppen
in Minsk auch die Meuterei ausgebrochen, fast alle[n] Offizieren
wurden die Schulterstücke [die Rangabzeichen] genommen und
Feldkost wie
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die
Mannschaften verabreicht. Unter diesen Umständen mußten wir also
alles daran setzen, möglichst schnell das Regiment zu erreichen.
[Gustav Ostendorf wird damals schon Unteroffizier gewesen sein.] |
Meuterei bei manchen deutschen Truppen |
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In
Grodsjanka, welches inmitten großer Wälder liegt,
meldeten wir uns beim Zahlmeister eines Nebenproviantamts.
Dieser sagte uns, das[s] er das Regiment in den nächsten Tagen
zu verproviantieren hätte, noch aber nicht wisse, wo es sei. Wir
warteten einige Tage ab, dann kam vom 4. Landwehrkorps die
Meldung, daß Regiment bezieht in Kaplanza und Umgebung
Quartier [Gegend an der Beresina ca.
80 km östlich von Minsk]. Da der Fußmarsch dorthin 80 klm
betrug und das Regiment nur kurze Zeit dablieb, so wußten wir
nicht, was nun zu tun sei. Wir kamen dann aber doch überein,
aufzubrechen, ließen uns für 3 Tage Verpflegung geben,
zeichneten eine kleine [Wege]Skizze nach der Karte des
Zahlmeisters ein und marschierten am folgenden Morgen um 5 Uhr
los. Da nun auf der ganzen Linie keine [deutschen] Truppen
lagen, wir beide keine Schußwaffen besaßen, nur ein Seitengewehr
[Bajonett, als Dolch verwendbar], außerdem nie mit Sicherheit
feststellen konnten, ob wir auch noch die richtige Marschroute
inne hatten, so war die Reise höchst ungemütlich. Ferner kam das
zweifelhafte [nach ihrem Empfinden merkwürdige] Verhalten der
Bewohner dazu, die [vermutlich] bereits wußten, was in
Deutschland vor sich ging. |
zu
Fuß dem Regiment nach durch unsichere Gegend |
[10.11.]
15
Uhr |
Am
ersten Tage legten wir glücklich 35 klm zurück, meistens ging es
durch große Wälder, bis wir am Nachmittage gegen 3 Uhr bei einem
Dorfe an der Beresina ankommen. Wie nun aber weiter[? ],
pötzlich ruft uns ein alter Landsturmmann [fragend zu], wo wir
hinwollten, die Antwort lautete, [„] über den Fluß[“]. Wir waren
aber erst mal froh, einen [deutschen] Soldaten wieder zu
treffen, der uns hoffentlich weitere Auskunft geben konnte. Er
nahm uns mit hinunter an das Ufer des Flusses, woselbst sich
eine Fährbude mit noch mehreren Kameraden befand. Zuerst sollten
wir eine kräftige Erbsensuppe essen, dann wurde über die
[allgemeinen] Verhältnisse gesprochen, da sie [die anderen
Soldaten] in ihrer Einsamkeit noch nichts
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von
der Lage in Deutschland gehört hatten. Im weiteren Verlauf der
Unterhaltung wurden wir gewahr, das[s] am Morgen jenseits des
Flusses mehrere Schwadronen nach Westen geritten wären. [„]Also
alles marschiert nach Deutschland[,] und uns haben sie
vergessen[“,] meinte ein alter Kamerad. Ich war der Meinung,
das[s] es so schlimm wohl noch nicht sei, ich wollte erst einmal
das andere Ufer mit dem daranliegenden Dorf absuchen.
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an
der Beresina, Kontakt mit deutschem Landsturm |
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Ehe
es dunkel wurde, ließen wir uns schnell mit der Fähre
übersetzen, zwei alte Landstürmer gingen mit ins Dorf[,] und
richtig fanden wir drin die dritte Schwadron unseres Regiments.
Voller Freude gaben wir uns bald einem tiefen Schlafe hin[,]
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Kontakt mit eigenem Regiment |
[11.11.] |
und
am frühen Morgen des nächsten Tages fuhr uns ein Panjewagen
weiter. Bald aber mußten wir zu unserem Leidwesen feststellen ,
daß der Russe völlig verkehrt gefahren war, anstatt in Richtung
Kaplanza zu fahren, war er nach einer ganz anderen
Richtung nach Kaplanki gefahren. Da sein Pferd total
übermüdet war [und nicht mehr weiter konnte], zogen wir zu Fuß
weiter und übernachteten in einem kleinen Dorfe. Wegen der
Lebensgefahr durfte nur immer einer schlafen, während der andere
Wache hielt. |
Irrfahrt mit Pferdewagen, wieder zu Fuß unterwegs |
[12.11.] |
Am
nächsten Morgen ging der Fußmarsch weiter, nachdem so gut die
Verhältnisse es ermöglichten, die nötige Orientierung
vorgenommen war. Unser Weg hatte durch die Verwechslung der
Ortschaften eine wesentliche Verlängerung erfahren, somit
durften wir [wegen des Zeitverlustes] möglichst wenig Pausen
einlegen. Die Stimmung war nicht die beste, mein Kamerad schlug
oft vor, wieder umzukehren, aber jedes Mal konnte ich ihn wieder
mit vorwärts reißen [zum Weitermarschieren ermuntern]. |
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Am
späten Abend erreichten wir endlich ein größeres Dorf, das zur
größten Freude mit einer [deutschen] Fuhrparkkolonne belegt war,
die auch erst vor einer Stunde angekommen war. Ich ging zum
Führer dieser Kolonne, und bat um Auskunft, dieser konnte aber
auch nichts
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Bestimmtes sagen, er riet uns am folgenden Morgen[,] nicht
weiter zu marschieren. Er müsse für die Nacht noch zwei
Meldereiter zum Staffelstab beim 4. Landwehr-Korps schicken, die
dann gleichzeitig für uns Auskunft bringen sollten. |
Kontakt mit deutscher Fuhrparkkolonne |
[13.11.] |
Am
frühen Morgen erhielten wir dann auch die Mitteilung, das[s] der
Regimentsstab unseres Regiments noch in Kaplanza liegt
und die nächsten Tage noch liegen bleibt, da die Kavallerie die
gesamte Nachhut der 10. Armee übernimmt. Der Weg dorthin betrug
25 klm., für einen Kavalleristen [zu Pferde] schon genug, aber
die letzten Tage hatten gezeigt, das[s] auch ein Reitersmann
marschieren kann, wenn es sein muß. |
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Wohlbehalten trafen wir am Nachmittag an Ort und Stelle ein,
freudig begrüßt von unseren Kameraden. Da gerade [ein]
Schlachtfest gefeiert wurde, so konnten wir unseren hungrigen
Magen gut zusprechen lassen. Dann ging es zum Adjudant[en]
zwecks Rückmeldung, |
zurück beim eigenen Regiment |
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dabei machte er mir die wenig erfreuliche Mitteilung, das[s] ich
nach etwa einer Stunde noch nach dem 20 klm entfernt liegenden
Städtchen Beressino [85 km
östlich von Minsk] reiten müsste, um dort die noch
ankommende letzte Post in Empfang zu nehmen. Nach stundenlangem
Warten in erwähntem Orte traf endlich der Wagen mit der Post
ein. Da seit einer Woche keine Post mehr angekommen war, so
hatte ich das Pech, einen schweren Sack voll befördern zu
müssen. Ein Landsturmsoldat legte mir denselben quer vor mir
über mein Pferd [über den Pferderücken,] und Schritt für Schritt
ritt ich im stockfinsteren Walde unserem Quartier wieder zu, wo
ich um Mitternacht wieder eintraf. Nach Ablieferung der Post
beim Adjudanten füttere ich mein braves Pferd und lege dann
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mich selbst zur wohlverdienten Ruhe. |
als
letzter Postreiter nach Beressino |
Datierung |
Wiedergabe der
[erläuterten oder korrigierten] Originalaufzeichnungen
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Gliederung |
[14.11.]
5
Uhr |
Aber auch die sollte von nur kurzer Dauer sein, denn plötzlich
war in aller Frühe die Meldung eingetroffen, vom sofortigen
Abrücken. Um 5 Uhr saß ich schon wieder hoch zu Roß. An diesem
Tage betrug der Ritt 45 klm. Wir blieben nun, abgesehen von
einigen Ruhetagen, bis Mitte Januar 1919 in Marschbewegung und
legten während dieser Zeit rund 700 klm zurück. Leider hatten
wir dabei, durch die trostlosen, russischen Verhältnisse
veranlasst, fast unüberwindbare Schwierigkeiten zu bestehen. |
b) Abzug nach Deutschland
Rückmarsch in Russland |
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Der
[sich in Rußland schnell ausbreitende] Bolschewismus hatte das
ganze Eisenbahnnetz bis zur alten Stellung
[ca. bis Grodno (s.u.), zum alten Frontverlauf von September
1915], das heißt, wo die russische Spurweite bestand,
lahm gelegt.
Infolgedessen mußten sämtliche Truppen den beschwerlichen
Rückmarsch zu Fuß bei [Minus] 30°-40° Grad Kälte und teilweise
meterhohem Schnee zurücklegen. [Die Kavallerie ist natürlich
geritten.] |
Bahnnetz durch Bolschewisten lahmgelegt |
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Alle Augenblicke gab es dann gab es wieder Kämpfe mit den
Bolschewisten, die uns gar zu gerne entwaffnen möchten.
Tatsächlich haben kleinere Truppenmassen [eher: -einheiten, die
sich wohl haben freiwillig entwaffnen lassen,] das Unglück
gehabt, [anschließend] um ihrer Wertsachen beraubt zu werden und
[wurden] dann ohne Rock und Stiefel wieder [in den Schnee]
entlassen. Was das in fremden Land bei russischer Kälte
bedeutet[,] ist unschwer auszumalen. Man könnte sich hierbei
fast an den Napoleonschen Rückzug erinnern, ja, wir sind sogar
die Hälfte unseres Weges auf derselben Straße marschiert[,] die
Napoleon 1813 benutzte. |
Scharmützel mit Bolschewisten |
zwei Tage vor Weihnachten |
Kurz vor Weihnachten 1918 passierten wir das zerschossene [Kampf]Gebiet
in der Gegend von Baranowitschi
[130 km südwestlich von Minsk in russ. Polen, heute
Weißrussland], hier kippte ein Fahrzeug nach dem anderen
in die zahlreichen, durch Schnee verwehten Granatlöcher hinein,
oder wir saßen mit unseren Pferden in einem Wirrwar von
Drahtverhau fest. Volle zwei Tage und Nächte hatten wir [zur
Überwindung dieses schneebedeckten alten Schlachtfeldes]
gearbeitet, bevor wir diesseits der Stellung den [westlich
führenden] Weg wieder fanden. |
altes Schlachtfeld bei Baranowitschi |
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Abb. 15 a und b.
Angaben zur Person und militäradministrative Einträge in
Ostendorfs Soldbuch. |
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23.12. |
Am
Abend des
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23.
Dezembers bezogen wir unweit dieses Geländes Quartier auf einem
großen Gutshofe. Da das Weihnachtsfest hier verbracht werden
sollte, Pferd und Reiter waren auch unbedingt ruhebedürftig, |
Weihnachten auf einem Gutshof |
24.12. |
so
machte ich mich am Morgen des heiligen Abends daran, aus einem
nahen Wäldchen, bis an den Hüften im Schnee watend, einen
Tannenbaum zu holen. Am Abend war er, so gut es die Verhältnisse
gestatteten, bunt geschmückt, alles was nur irgendwie an Eß= und
Trinkbarem aufzutreiben gewesen war, wurde aufgedeckt[,] und wir
erlebten den letzten Kriegs[-]Weihnachten in bester Stimmung.
Tagelang hatten heftige Schneegestöber gewaltige Dünen [auf]geweht,
sodaß wir bald gänzlich einzuschneien drohten.
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21
Uhr,
22
Uhr |
Nachts schien der Mond taghell, so auch heute Abend, als ich um
9 Uhr abends vor dem Gutstor auf Posten zog. Um 10 Uhr sah ich
von Ferne drei Reiter langsam auf dem [das] Gute zu reiten, sie
hoben sich merklich von der weißen Schneedecke und dem Vollmond
[in dessen Licht] ab. Ob Freund oder Feind war zwar noch nicht
zu erkennen. Bei genügender Nähe rufe ich sie mit „Halt“ an, sie
kümmerten sich nicht darum und ritten näher. Ich gab ich einen
Schreck[Warn]schuß ab, jetzt höre ich rufen: „Bist du verrückt,
wir sind Deutsche.“ Ich sah aber bald darauf, das[s] es Russen
waren, jedenfalls trugen sie die [russischen] Pelzmützen.
Trotzdem ließ ich sie noch herankommen und fragte nach ihrem
Vorhaben, worauf der eine in hannoverschem Dialekt erwiderte, er
wolle einmal nachsehen, ob das Gut hier frei wäre. Er sei
früherer Deutscher Soldat und augenblicklich
Bolschewistenführer, wobei er schweres Geld verdiene. Somit
könne er uns nur raten, dasselbe zu tun. Da inzwischen etliche
Kameraden und unser Adjudant hinzu gekommen waren, so wurde dies
Ansinnen eines gemeinen Deutschen [gemeinschaftlich] schroff
abgelehnt, indem ihm erklärt wurde, sofort zu verschwinden, oder
es
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würde geschossen. Ohne ein Wort zu sagen, ritten die drei Mann
wieder ab. Wir waren uns aber alle klar darüber, was dieser Akt
zu bedeuten hatte. Sofort wurde der Gutshof [von den Deutschen]
mit 20 Mann [zur Bewachung] umstellt. |
deutscher Bolschewistenführer wirbt um Überläufer |
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Bereits um Mitternacht wurden wir in Stärke von etwa einer
Schwadron angegriffen, nach erfolgtem Alarm setzt unsererseits
ein lebhaftes M. G.[-] und Gewehrfeuer ein, worauf auch bald
alles [der Angreifer] verschwand. Am anderen Morgen konnten wir
feststellten, das[s] ein Drittel [der Gegner] gefallen war. Die
beiden Weihnachtstage gingen dann unbehelligt vorüber [bzw. die
deutschen Husaren wurden nicht mehr behelligt]. |
Angriff der Bolschewisten abgewehrt |
[27.12.]
7 Uhr
[18
Uhr],
[bis 29.12.] |
Tags darauf ritten wir morgends [sic] um 7 Uhr wieder [nach
Westen] ab und landeten nach 11stündigem, äußerst beschwerlichen
Marsch [bzw. Ritt] in dem Judenstädtchen Nowogrodeck.
Kaum 20 klm waren zurück gelegt, aber bei schwerem
Schneegestöber und Durchgraben unzähliger [Schnee]Dünen von 2-4
[m] Höhe noch eine gute Leistung. Da die vor uns [zu Fuß]
marschierenden Truppen noch langsamer vorwärts kamen, so blieben
wir hier wieder 2 Tage liegen. |
weiter nach Westen |
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Als Nachhutregiment wurden wir auch
hier angefallen. Abends gegen 9 Uhr entbrannte in der ganzen
Stadt ein furchtbarer Straßenkampf.
Ich
befand mich auf dem Marktplatz, wo drei M. G. aufgestellt waren,
die den Platz sauber [frei] hielten. In den angrenzenden
Straßen floß auf beiden Seiten viel Blut. Erst gegen Morgen war
die Ruhe hergestellt. Die folgende Nacht brannten [durch
Brandstiftung] mehrere Pferdeställe nieder
[vgl.1813: Moskau wurde angesteckt, um
Napoleons Truppen zu vertreiben], uns glückte es aber in
allen Fällen[,] Pferd[e] und Sattelgeschirr[e] zu retten. Zur
Strafe wurden [durch uns] die Wohnhäuser abgebrannt, die dazu
[zu den Ställen] gehörten. Aus einem Stall wurden drei Pferde
gestohlen, zwei erwischten wir wieder bald wieder, das dritte[,]
ein altes Schwadronspferd[,] blieb für immer verloren. So ließen
uns die Bolschewisten nie zur Ruhe kommen.
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Straßenkampf in Nowogrodeck |
[31.12.1918-2.1.1919] |
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Nach weiteren zwei Marschtagen bei großer Kälte und
Schneetreiben erreichten wir die Bahnstation Novojelna
[50 km nordwestlich von Baranowitschi].
Auch hier blieben zwei Liegetage für uns. Da hier noch ein
großes, reich mit Vorräten aller Art versehenes Proviantlager
lag, so deckten wir uns mit allen möglichen Sachen ein, da es
den Russen doch überlassen wurde. In der folgenden Nacht fuhren
die [deutschen] Eisenbahner mit dem letzten Zug ab.
[Speziell aus dieser Stadt, im
westlichen Russland war noch Bahnverkehr, s.u.] Alles was
die nicht fortgeschaffen konnten, wurde in Brand gesetzt, so
auch der große hölzerne Lokomotivschuppen. Auch wir sprengten
bei unserem Abrücken die große Eisenbahnbrücke in die Luft [,
um Verfolger zu behindern], da nämlich bekannt wurde, daß große
[feindliche] Truppenverbände diesem Punkte zustrebten. |
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[8.1. bis ] 26.1. |
Hierauf erreichten wir nach sechs weiteren Marschtagen das
kleine Städtchen Skidel [100 km
südöstlich von Ostpreußen], etwa 30 klm hinter
[südöstlich] Grodno
gelegen. Dort lagen wir wieder bis zum 26. Januar 1919 fest.
Während dieser Zeit mußten wir den Bahnschutz für die Truppen
aus der nördlichen Ukraine übernehmen, denen es teilweise
noch schlechter erging als uns. |
Rückzugsdeckung |
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Daß
es bei manchen deutschen Truppenteilen so übel aussah, war ihre
eigene Schuld. Viele Kräfte waren am Werke, die Brandfackel in
die eigenen Reihen zu werfen [wiegelten Soldaten gegen die
eigene Führung auf]. Ich erinnere nur an den [marxistischen]
Soldatenrat. |
Zersetzung der Truppe |
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Hätten wir im Regiment nicht so einmütig zusammen gehalten, wäre
noch mancher von uns, fern der Heimat, in den eiskalten Gefilden
Rußland[s] zurück geblieben. Wer das also nicht wollte, durfte,
solange er noch auf fremden Boden stand, die Unstimmigkeit nicht
predigen. Das Armee-Oberkommando sprach dem Regiment wegen des
energischen Verhaltens bei dem großen Rückmarsch seinen vollen
Dank aus. |
Zusammenhalt sichert Rückkehr |
26.1. |
Am
26. Januar wurden wir dann zum letzten Male [auf die Bahn]
verladen, um in die Heimat befördert zu werden.
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Rücktransport in die Heimatgarnison |
1.2.1919,
17
Uhr |
Am
1. Februar nachmittags 5 Uhr lief der Zug in den Bahnhof unserer
alten Garnison [Wandsbek bei Hamburg]
ein [für Gustav Ostendorf nach genau 4 Jahren und 6
Monaten im Kriegseinsatz]. Der Empfang war gut, trotz des
traurigen
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Ausganges dieses gewaltigen Ringens. |
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Aber die [deutschen] Armeen wurde
durch Waffengewalt nicht besiegt, sondern durch Umstände[,] die
genügend bekannt sind. [Angeblich
durch Verweigerung von Kriegsdienst und -material durch
revolutionäre Soldaten (v.a. Matrosen) und Zivilisten.
Tatsächlich stand trotz anfänglich großer Kriegserfolge im
November 1918 der militärische Zusammenbruch kurz bevor, was
wohl der Obersten Heeresleitung (OHL), nicht aber der
Bevölkerung bekannt war.] |
Mythos: „Im Felde unbesiegt“ (Dolchstoßlegende) |
4.2. |
Nach zweitägigen Aufenthalt in der Garnison fuhr ich auf Urlaub, |
Urlaub |
bis
16.3. |
während dieser Zeit fand in Wandsbeck eine Abschiedsfeier
statt, worauf dann alles [zunächst wohl nur die speziell
kriegsrekrutierten Mannschaften] entlassen wurde. Ich blieb nach
meinem Urlaub noch bis zum 16. März 1919 beim Regiment, da ich
mich mit der Absicht trug, weiter zu dienen. Wegen vollständig
ungewisser Verhältnisse aber
[Friedenskonferenz in Versailles ab 18.1.1919, in Folge
Reduzierung der deutschen Truppenstärke auf 100.000 Mann],
gab ich mein Vorhaben auf |
Entlassung der Soldaten |
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[,
ließ sich nach insgesamt 6 Jahren und 4 Monaten Militärzeit,
darunter 4 Jahre und 7 einhalb Monate Kriegsdienst, im
Alter von 25 Jahren und 4 Monaten vom Truppendienst entlassen]
und siedelte einige Tage später zur Eisenbahn über [ging in
Dienst bei der Reichsbahn in Brake, seiner Heimatstadt]. |
im
Bahndienst in Brake |
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Abb. 16.
Kriegsauszeichnung: Ostendorfs Besitzurkunde des Eisernen
Kreuzes, einer von zwei ihm verliehenen Orden. |
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An
Orden erhielt ich das Eiserne Kreuz [II. Klasse] und [das]
Friedrich August Kreuz II. Klasse
[benannt nach dem (1919 abgedankten) Oldenburger Großherzog],
wurde zu Anfang [Kriegsbeginn] zum Gefreiten und später [nach
dem 22.9.1917, Datum obiger Ordensverleihung] zum Unteroffizier
befördert. |
Orden und Beförderungen |
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Die
ruhmreiche, alte, deutsche Armee ist leider nicht mehr, der
Friedensvertrag [von Versailles, am
28.6.1919 von Deutschland unterzeichnet]
hat Deutschland
die allgemeine Wehrpflicht verboten. Hoffentlich kehrt die Zeit
bald wieder, wo unser Vaterland einen achtung gebietenden Platz
einnimmt, so wie es ihn früher hatte. |
Patriot bis zuletzt |
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Hiermit will ich schließen, vieles könnte noch nieder
geschrieben werden, aber wohin würde das führen, da schon
manches der Vergessenheit verfallen ist.
gez. Gustav Ostendorf. |
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Abb. 17. Der Schluss
von Ostendorfs Haupttext.
Abb. 18.
Förmliche Unterschrift des Kriegsveteranen. |